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Das Imperium des Atoms

Rezensionen / Science Fiction
geschrieben von Micha am 25.10.2014, 14:22 Uhr

Doppelte Sci-Fi-Hommage


Das Imperium des Atoms [1]Das ist mal 'ne Fernbeziehung: Nicht weniger als eine halbe Galaxie und ca. 120.000 Jahre trennen Paul und den Sternenkrieger Zarth Arn, und doch haben sie eine schwer fassbare telepathische Verbindung. Paul ist Professor für asiatische Politik in Diensten der CIA im Washington der 1950er Jahre. Besorgt über Pauls zunehmende Zerstreutheit und die nachlassende Qualität seiner Arbeit durchsuchen seine Vorgesetzten sein Büro, finden hunderte von komplizierten, unentzifferbaren Diagrammen und konfrontieren ihn damit. Paul erklärt, die Diagramme beschrieben die Verschränkungen der imperialen Einflusssphären in der Zeit Zarth Arns – und wird umgehend zum Psychiater geschickt. Letzterer ist so beeindruckt von der Kohärenz von Pauls Berichten über das zukünftige Sternenimperium, dass er einen Fachaufsatz darüber veröffentlicht. Den liest auch der genial-wahnsinnige Wissenschaftler Zelbub und lädt Paul zu seinen Brainstorm-Wochenenden mit Gelehrten aller Fachrichtungen ein – allerdings rein zum Eigennutz: Zwecks Übernahme der Weltherrschaft verleitet Zelbub mithilfe von Hypnose und Drogen Paul dazu, Zarth Arn die militärischen Geheimnisse der Zukunft stehlen zu lassen, mit katastrophalen Folgen für Zarth...

Die Belgier Smolderen und Clérisse haben eine beeindruckende Hommage an die Goldene Ära der Science-Fiction-Literatur zusammengebraut. Die Inspirationen zu den Abenteuern Zarth Arns stammen aus den Werken der klassischen SF-Autoren A. E. Van Vogt und Paul Linebarger. Um letzteren rankt sich die Legende, er sei der Patient aus der Fallstudie „Die düsengetriebene Couch“ des Psychiaters Robert Lindner, in der ein Mann beschrieben wird, der glaubt, bestimmte Science-Fiction-Groschenromane enthielten seine eigene Biographie als Weltraumheld der Zukunft, und der diese Welt ausufernd, aber kohärent weiterspinnt. Dieser Patient, kombiniert mit der Lebensgeschichte des tatsächlichen Linebarger, ist die Vorlage für die Figur Paul.

Das Imperium des Atoms

Aber „Das Imperium des Atoms“ ist nicht nur eine Hommage an klassische Science-Fiction-Stories, sondern auch an die klassische Ära frankobelgischer Comics. Der Technologie stehlende und den Verstand manipulierende Bösewicht Zelbub hat als Vorbild eindeutig Zyklotrop aus „Spirou“, im Original „Zorglub“ genannt. Auch Zelbubs Untergebene sind ebenso trottelig wie Zyklomänner. Zeichner Clérisse hat Zelbub ein Aussehen zwichen Zyklotrop und Herrn Bruchmüller aus Franquins „Gaston“ gegeben; in einer Szene taucht gar Franquin höchstpersönlich auf und nervt Zelbub mit einem baufälligen Uralt-Auto. Dieser Teil der Handlung spielt 1958 in Brüssel, wo Zelbub das Weltausstellungsgelände verwendet, um es den von Drogen und Hypnose benebelten Wissenschaftlern als Hauptstadt seines Atom-Imperiums auszugeben.

Der Zeichenstil ist allerdings keineswegs an die Ècole Marcinelle, sondern an futuristisches 50er-Jahre-Design angelehnt, was dem Band eine besondere Note verleiht. Der große Clou ist allerdings, dass Autor Smolderen die Geschichte nicht chronologisch erzählt. Mit diesem Kunstgriff gelingt es ihm, Pauls durch die telepathische Verbindung mit Zarth Arn und Zelbubs Manipulationen verwirrten Geist vom Leser nachempfinden zu lassen. Auch Paul muss sich erst mühsam zusammenreimen, was nun wirklich passiert und was Suggestionen Zelbubs sind. Dadurch versteht man die Geschichte zwar erst nach mehrfachem Lesen wirklich, hat dafür aber länger was davon. Fasziniert ist man jedoch schon beim ersten Mal.


Das Imperium des Atoms
von Thierry Smolderen und Alexandre Clérisse,
144 Seiten, Hardcover
Carlsen Verlag, 22,90 Euro


Am Besten kauft man sich das Comic beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Das Imperium des Atoms kann man auch hier kaufen [2]

Das Imperium des Atoms

(c) der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Carlsen Verlag 2014

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