Comic Radio Show

Im Westen nichts Neues

Rezensionen / Krieg etc.
geschrieben von StefanS am 08.08.2014, 00:00 Uhr

Eine illustrierte Ausgabe von Remarques Roman



Im Westen nichts Neues [1]Anders als Tardi haben Peter Eickmeyer und Gaby von Borstel keinen Comic und keine Graphic Novel zum Ersten Weltkrieg erschaffen, stattdessen zeigen sie eine illustrierte Version von Auszügen des Romans Im Westen nichts Neues. Nach überwiegend französischen und amerikanischen Werken ist dieses Buch vom Splitter Verlag einer der wenigen deutschen Beiträge zum Thema.

Der Erste Weltkrieg dauerte von 1914 bis 1918 und veränderte Europa und die Welt radikal. 100 Jahre liegt der Kriegsausbruch zurück und es gab bereits vor vielen Jahren und Jahrzehnten Comics zum Thema, wenn auch deutlich weniger als beispielsweise zum Zweiten Weltkrieg.

Eickmeyer stellt seine Bilder von April bis Juli 2014 in Osnabrück aus, dort sitzt das Erich Maria Remarque-Friedenszentrum. Remarque stammt aus Osnabrück. Eickmeyer und seine Gattin von Borstel leben in Melle bei Osnabrück. Diese Region ist vermutlich der Ort an dem die Germanen den Vormarsch der Römer gestoppt haben – im Bonusmaterial weist Eickmeyer auf dieses Ereignis hin und verdeutlicht, dass der Erste Weltkrieg viel näher an unserer Zeit ist und es ihn deshalb befremdete, dass in Ypern Kostümierte die Schlachten nachspielten so wie es in seiner Heimat gemacht wird um die Zeit des Römischen Reichs wiederzubeleben.

Fernsehen und Zeitungen berichteten über Eickmeyers Projekt, sein Buch erregte über die Comic-Gemeinde hinaus Aufsehen. Die Erwartungen waren also hoch.

Im Westen nichts Neues

Paul Bäumer ist 19 Jahre alt und hat gerade das Abitur geschafft. Seine Mitschüler und er melden sich freiwillig für den Kriegsdienst an der Westfront. Wir begleiten den zurückhaltenden, nachdenklichen jungen Mann bis zum Jahr 1918 und erleben mit ihm den Kampf als einfacher Fußsoldat der deutschen Infanterie. Massives Trommelfeuer, Grabenkrieg, Flammenwerfer, Giftgas, Maschinengewehre, Kampfflugzeuge und Panzer sind dabei neue Elemente, die es im Krieg davor, 1870/71 gegen Frankreich noch nicht gegen hatte. Und doch zieht zu Beginn dieses neuen Typs industrialisierter Kriegsführung, wie in längst vergangenen Zeiten, noch die Kavallerie in den Krieg. Das auch die Tiere verheizt werden ist im übrigen Thema einer der vielen intensiven Szenen im Buch, in dem Pauls Kameraden über den Sinn und Unsinn des Krieges diskutieren.

Im Westen nichts Neues

Der Autor des weltberühmten Romans war Soldat im damals noch als Der große Krieg bezeichneten Weltkrieg. Später arbeitete Remarque als Journalist. Das dort erlernte Handwerk kommt dem Roman, mit seiner klaren Sprache, sehr zugute.

Der Antikriegsroman gehörte in der NS-Zeit zu den Büchern, die öffentlich verbrannt wurden, weil es den Krieg in all seiner Barbarei, Sinnlosigkeit und unverblümt zeigt. Und im Roman wird klar verdeutlicht, dass Krieg nur sehr wenigen nützt, am meisten den Reichen mit ihren Fabriken oder ihrem Grundbesitz, die selbst außerhalb der Schlachtfelder in Sicherheit waren.

Der erste Eindruck beim Aufschlagen des hochwertigen Hardcovers ist etwas enttäuschend, denn was als Graphic Novel vermarktet wird darf gerne ein Comic sein, aber es ist ein illustriertes Buch. Kein Bilderbuch, dafür würde ich den schwammigen Begriff Graphic Novel noch halbwegs passend finden, aber ein Buch mit Abbildungen als Graphic Novel zu bezeichnen ist befremdlich!
Im Westen nichts Neues
Es gibt immer mal wieder solche Werke, Knesebeck etwa hat eine illustrierte Ausgabe mit Geschichten von Edgar Allan Poe im Programm. Das sind allerdings komplette Kurzgeschichten und kein gekürzter Roman wie im vorliegenden Fall.

Wer den Roman gelesen oder die Verfilmungen gesehen hat, wer idealerweise das Buch von Remarque besitzt, steht wohl am besten da, denn als Ergänzung ist dieses Fassung sehr gut! Das liegt besonders am Bonusmaterial, in dem Spannendes über die verschiedenen Fassungen des Romans zu erfahren ist, den es schon vor Jahren als Comic, als sogenannten Illustrierten Klassiker gab, nur eben bislang nicht in deutscher Übersetzung, sondern auf Englisch. Demnächst soll sich das ändern und der Comic auch auf Deutsch erscheinen.

Keiner der bekannten Comics zum Ersten Weltkrieg ersetzt ein objektives Geschichtsbuch. Fast immer geht es um den Grabenkrieg im Westen, obwohl es doch auch den Krieg im Osten und Ereignisse wie den Ausbruch des Kommunismus in Russland mit deutscher Unterstützung und Umwälzungen im Nahen Osten, etwa mit Lawrence von Arabien gab.

Im Westen nichts Neues

Eickmeyers Bilder sind stark! Vielleicht wäre ein Bildband noch besser gewesen als die gewählte Aufmachung. Die Ausstellung dürfte sich lohnen, denn manche Bilder im Buch sind etwas klein. Anders als beim Poe-Buch von Knesebeck sind die Illustrationen hier nicht störend, sondern passen sehr gut zum Roman, der ja ohnehin schon ein sehr starkes Kopfkino erzeugt.

Mit Anspielungen auf Picassos Guernica und anderen Ideen, die die Recherche vor Ort brachte, konnte Eickmeyer seine eigene Sichtweise auf den Roman ausdrücken.

Im Anhang schildert das Ehepaar Eickmeyer und von Borstel seine Reise nach Ypern, das ist eine große Bereicherung für begeisterte Leser des Romans!

Es ist wohl der beste deutsche Beitrag 2014 aus dem Comicbereich zum Ersten Weltkrieg, und wohl der einzige, zumindest der bekannteste deutsche Beitrag zum Thema. Dafür und für die schöne Gestaltung und Ausstattung gilt es Splitter, Eickmeyer und von Borstel zu loben. Ein weiteres Werk des Paars ist bereits in Arbeit.

Wertung: 86 % in Kombination und als Ergänzung zu Remarques komplettem Roman

96 % für Remarques Roman.

75 % für die "Graphic Novel" allein, die eigentlich ein illustrierter Auszug von Remarques Roman ist


Text: Erich Maria Remarque (textliche Bearbeitung und Konzeption: Gaby von Borstel)
Zeichnungen: Peter Eickmeyer
Lettering: Gaby von Borstel und Peter Eickmeyer
176 Seiten, Hardcover, farbig
Extras: Anmerkungen von Thomas F. Schneider, Kurzportrait von Erich Maria Remarque und Im Westen nichts Neues, „Reise nach Ypern“, „Der große Krieg 1914-1918“, Skizzen
2014 Splitter Verlag, 22,80 €


Am Besten kauft man sich das Comic beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Im Westen nichts Neues kann man auch hier bestellen [2]


(C)opyright der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: 2012-2014 Peter Eickmeyer
Splitter Verlag 2014


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