Erotik plus Lektionen in Kultur- und Literaturgeschichte
[1]Wunderschöne Zeichnungen! Einige der schönsten, die es von Milo Manara bisher gibt, heißt es im Vorwort von Band 11 der Werkausgabe. Die erste Geschichte führt uns durch erotische Höhepunkte der Kunstgeschichte und im zweiten Abenteuer entwirft der Italiener seine Version von Homers Odyssee. Klingt überladen und zu ambitioniert oder hochinteressant? Ist es denn auch so heftig sexuell wie „Click!“?
Die Panels sind wie auch im folgenden Band 11 „Click!“ großformatig. „Die Reisen des G. Bergmann“ sind s/w und die „Odyssee“ ist koloriert – beide sehen phantastisch aus!
„Die Reisen“ spielt in einer Phantasiewelt, dem so genannten „Spielzeugland“. Die weibliche Hauptfigur, eine langhaarige, lockige Blondine hat eine seltsame Marotte: was immer sie in einem Buch sieht, will sie sofort nachstellen. Manaras Alter Ego Bergmann versucht dabei Schaden zu begrenzen, den etwa das Bild „Der Tod der Ophelia“ von Millais verursachen würde, wenn die junge Dame das Dargestellte konsequent zu Ende nachspielen würde. Andere Bilder, die sie inspirieren, sind etwa „Susanna und die Alten“, von dem in der Einleitung zu erfahren ist, dass es eines der beliebtesten erotischen Bilder der Kunstgeschichte ist, da es dank Bibelbezug die Zensur von nackten Frauendarstellungen umgehen konnte.
„Die Odyssee“ vermischt Neuzeit und griechische Antike. Statt Wein, Weib und Gesang gibt es härtere Drogen, ein Rockkonzert und Rockerbräute. Aber eben auch klassische Elemente aus der vielfach erzählten Geschichte, wie verführerische Sirenen und vor allem die Irrfahrt zurück in den Heimathafen.
Die Abscheu vor den zerstörerischen Folgen des Drogenmissbrauchs ziehen sich immer mal wieder durch Manaras Werke, so auch hier. Gleich zu Beginn und später sehen wir dahin vegetierende, möglicherweise mit HIV oder Hepatitis C schwer erkrankte Drogensüchtige, wahrscheinlich Heroin-Opfer. Auch andere Szenen verstören und wirken bedrohlich: ein hungriger Hai und auf Vergewaltigungen gierende Männer zeigen gänzlich unerotische, abstoßende Seiten des menschlichen Trieblebens. Um so irritierender, dass immer wieder bildhübsche, hoch erotisch gezeichnete Frauen (und Männer) eine sinnliche Atmosphäre erzeugen, die tatsächlich das Gefühl vermitteln man wäre selbst am Mittelmeer, mit wärmenden Sonnenstrahlen und einer angenehmen Meeresbrise – Manara ist ein Poet! Die Odyssee ist hier wohl auch ein Sinnbild für aus dem Ruder gelaufene Ausschweifungen und Irrungen – in denen Frauen zum Objekt, Sex zur Ware, ungeschützter Sex und Drogen zur Lebensbedrohung wurden. Intimität wurde kommerzialisiert und die Neuzeit war offenbar wesentlich verklemmter als die griechische Antike, in der es die religiöse Unterdrückung von Sexualität wohl noch nicht gab – zumindest ist das das gebräuchliche Bild dieser Epoche, das Manara hier zeichnet.
Ein gescheiter, überraschender und über weite Strecken auch sehr erotischer Comic!
Wertung: 86 %
Manara Werkausgabe 10
Enthält: Die Reisen des G. Bergmann, Zu schaun die Sterne, Die Odyssee des Giuseppe Bergmann
Originaltitel: A riveder le stelle – L'Odissea di Bergman (Le avventure metropolitane di Giuseppe Bergman)
Text und Zeichnungen: Milo Manara
Lettering: RAM
Übersetzung aus dem Italienischen: Michael Leimer
140 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, farbig und s/w
Extras: Die Odyssee in der Kunstgeschichte, Portfolio 4: Zu schaun die Sterne und mehr
2013 Panini Comics, 29,95 Euro (Österreich: 31,60 Euro)
ISBN 978-3-86201-496-5
Am Besten kauft man sich das Comic beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Manara Werkausgabe 10 kann man auch hier bestellen [2]
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