Comic Radio Show

Egon Schiele

Rezensionen / Kunst
geschrieben von StefanS am 15.07.2013, 00:00 Uhr

Pornografie oder große Kunst?



Egon Schiele [1]Comics sind auch nur ein Produkt, eine Ware. Verkauft sie, so wie man Schrauben verkauft. Das war kürzlich zu lesen, und wurde der Comic-Szene in München geraten. Als junger Mensch, als junger Künstler gar, ist das wahrscheinlich ein Rat, den viele empört ablehnen werden. Egon Schiele hätte das wohl getan. Und Xavier Coste, der mit gerade mal 22 Jahren mit dem Comic über Schiele sein Debüt veröffentlichte, wird das möglicherweise ähnlich sehen. Ein getriebener, junger Mann. Ein Geächteter. Wegen Pornografie im Gefängnis. Einsatz im Ersten Weltkrieg. Wer war dieser Mann?

Gustav Klimt war mir vor der Lektüre dieses Comics bereits vertraut. Der Maler Egon Schiele hingegen nicht. Dabei waren beide Männer Weggefährten, etwas auf das sich besonders Schiele berief, um von diesem Ruf zu profitieren, wie im hochinteressanten Anhang dieses Comics, von mir aus auch dieser Graphic Novel, zu erfahren ist.

Egon Schiele (* 12. Juni 1890 in Tulln an der Donau; † 31. Oktober 1918 in Wien) war ein österreichischer Maler, der nur 28 Jahre alt wurde. Beinahe klingt das nach dem Club der 27, also den im Alter von 27 Jahren verstorbenen Rockstars Amy Winehouse, Kurt Cobain, Janis Joplin etc. Und tatsächlich hat diese Geschichte etwas von einem Rockstar, der Untertitel "Ein exzessives Leben" deutet es bereits an. Möglicherweise war das jugendliche Alter Schieles eine Verbindung zu Xavier Coste, der Hugo Pratt, Jacques Tardi und François Schuiten zu seinen Vorbildern zählt. Leider äußert sich Coste im Buch nicht weiter dazu. Offenbar liegen ihm aber Künstler-Porträts besonders am Herzen, denn sein nächstes Werk widmet sich dem französischen Lyriker Arthur Rimbaud. Große Namen. Und das passt ja auch sehr gut zum bisherigen Programm von Knesebeck, in dem Comics über Proust, Kafka, Freud und Wagner erscheinen. Ambitioniert. Das weckt mitunter sehr hohe Erwartungen. Mit 72 Seiten ist dieser Comic recht kurz - wird er dem Leben und Schaffen Schieles gerecht?

Egon Schiele

Die Geschichte beginnt in der Akademie der Bildenden Künste in Wien, Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Dozent findet, dass es seinem Schüler Schiele an Sorgfalt mangelt. Das schert den jungen Mann wenig, er hat größere Sorgen: etwa seine komplizierten Frauengeschichte zu koordinieren. Eine Frau während der Woche und eine nur fürs Wochenende, schlägt er vor und bekommt als Antwort ein Glas Wasser ins Gesicht gekippt, von einer Dame, die diese losen Moralvorstellung empörend findet. Doch das ist erst der Anfang. Mit einem Skandal wegen pornografischer Bilder (die sich sehr ästhetisch gezeichnet in diesem Comic wiederfinden) und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs entfernt, entfremdet und isoliert sich der Künstler immer mehr von der Gesellschaft. Vater früh gestorben, problematisches Verhältnis zur Mutter, finanzielle Probleme - all das plagt ihn und diese Stimmung herrscht auch in diesem Comic vor. Exzesse ja, dennoch überwiegen Frustration, Zweifel und Melancholie. Tränen laufen den Frauen über die Wangen. Schiele guckt durchgängig ernst und lächelt praktisch nie. Ohne weitere Bücher über Schiele gelesen zu haben kann ich nicht beurteilen, ob Coste einen fundierten Einblick in das Leben des Malers bietet. Was ich weiss ist, dass der Comic gelungen ist. Gerade im Vergleich zum ebenfalls kürzlich bei Knesebeck erschienenen Comic "Der Process" wirken die Zeichnungen hier wohltuend aufgeräumt und nicht übertrieben ambitioniert. Experimentiert wird kaum. Eine alkoholumnebelte Nacht wird mit verschwommenen Strich illustriert - das war's an ungewöhnlicheren Bildern. Inhaltlich wirkt die Geschichte nicht wie eine unmotivierte Pflichterfüllung, hier wird nicht ein Literatur-Klassiker lieblos als Comic umgesetzt, weil das eben gerade chic ist. Coste scheint sich tatsächlich mit Schiele verbunden zu fühlen. Dieser positive Eindruck bleibt hängen.


Egon Schiele


Die Lebensgeschichte eines Malers in Bilden zu erzählen - das liegt nahe. Xavier Coste ist mit 22 Jahren ein gelungenes Debüt gelungen, das Neugierde auf mehr weckt und auch das Interesse an Egon Schiele steigert.

Wertung: 75 %


Egon Schiele
Autor & Zeichner: Xavier Coste, Übersetzung aus dem Französischen: Carolin Müller, Originaltitel: Egon Schiele Casterman, Belgien 2012, Extras: fünf Seiten zum Leben Schieles,
72 Seiten, Hardcover, Farbe,
Knesebeck Verlag 2013, 19,95 Euro


Am Besten kauft man sich das Band beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Egon Schiele kann man auch gerne hier kaufen. [2]


(c) der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: Knesebeck GmbH & Co. Verlag KG, München

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