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Will Eisners Spirit Archive Band 15 (6. Juli bis 28. Dezember 1947)

Rezensionen / Abenteuer
geschrieben von Peixe am 08.04.2013, 00:00 Uhr

Kleine Meisterwerke - mit nur einem Fehler im Detail...


Will Eisners Spirit Archive Band 15 (6. Juli bis 28. Dezember 1947) [1]Der 15. Band der Spirit-Archive, auf Deutsch vom Salleck Verlag in einer fein gebundenen Ausgabe erhältlich, bietet sich als ein Einstieg in die Welt des Spirit bestens an. Der Band zeigt schon die Reife der späteren Erzählungen, ist aber noch fern des Endes, an dem ein Autor irgendwann entscheiden muss, ob er eine Reihe auf diesem Niveau weiterführen kann. Will Eisner schreibt und zeichnet seit dem 12. Band wieder selber, nachdem er sich während seines Kriegseinsatzes von nicht minder prominenten Zeichnern hat vertreten lassen (müssen). Und er demonstriert in Band 15 wunderbar die Vielfalt, die es braucht eine solche Geschichte immer neu packend und begeisternd zu erzählen.

Ein Trick Eisners liegt darin, den Spirit als menschlichen Superhelden ohne Superkräfte recht begrenzt zu konzipieren, die Geschichten selber im Genre ohne Hemmungen und Grenzen wandern zu lassen: sie spielen mal im Boxermilieu, mal während eines Gefängnisausbruchs. Von witzigen Geschichten über fantastische (im Sinne von fantasy), von Kriminalromanen über gut inszenierte Lebensweisheiten bis hin zu unheimlichen Gruselabenteuern von Geistern, die in Lampen wohnen, Ufos und besonders die Geschichten vom Geisterschiff S.S. Raven. Selbst das deutsche Motiv des Doppelgängers wird mehrdeutig verarbeitet („Doppelgänger“). Ein Untoter, der es zu spät merkt, inspiriert von Ambrose Bierce’ "An Occurrence at Owl Creek Bridge" (1891), dessen Grundidee von „Carnival of Souls“ (1962) bis „The Sixth Sense“ (1999) wieder und wieder verfilmt wurde, was für Eisners Gespür für gute Geschichten spricht. Natürlich dürfen die Lieblingsfeinde des Spirit nicht fehlen: besonders oft der Krake, von dem man nur die Handschuhe zu Gesicht bekommt; P’Gell, die nur eine der vielen durchtriebenen Frauen ist, an denen sich der Spirit regelmäßig aufreibt, dieses Mal mit ihrer Tochter; Satin und ihre Tochter Hildie; Carrion mit seinem Geier und weitere mehr. Und was man alles im Schnee finden kann und wie Verbrecher Schnee benutzen können, erzählen gleich drei winterliche Geschichten.

Will Eisners Spirit Archive Band 15 (6. Juli bis 28. Dezember 1947)

Ein paar Appetithäppchen: Mit viel Selbstironie hat Eisner gerade eine weltweite Bedrohung von der Größe eines Atomkriegs zu ihrem Höhepunkt getrieben, da endet die Geschichte noch schnell mit der Frage danach, wie die Baseballmannschaft Los Angeles Dodgers gespielt hat („Gesucht wird“). Eine neue Vorliebe ist es, Märchen wie „Hänsel und Gretel“ oder „Aschenputtel“ amüsant verfremdet für den Spirit nachzuerzählen. Immer wieder neu einnehmend sind seine Darstellungen von Pladderregen und die unglaublichen Perspektiven, die den Geschichten Lebendigkeit verleihen. Der Bildaufbau zieht einen an den aufregenden Stellen unvermindert ins Geschehen, etwa in „Showdown mit dem Kranken“. Ein paar Pinup-Bilder vom Spirit und Ellen Dolan gibt es geschlechtergerecht für Mann und Frau. Und natürlich muss sich der Spirit auch gegen brachiale Gewalt durch schwere Vorschlaghämmer und anderlei Gegenständen von Gewicht zur Wehr setzen, will er seine nächste Folge lebend verfolgen, etwa in „Das Zeichen des Kraken“. Mysteriöse Berichte über Geister und seltsame Bewandtnisse lassen zuweilen auch den Spirit rätselnd zurück. List und Tücke sind gerecht auf Gut und Böse verteilt, so das sich nie sagen lässt, wer am Schluss der acht Seiten Oberwasser hat. Eine Folge lässt den Spirit blind zurück und Eisner versteht auch diesen Umstand szenisch umzusetzen („Blind“, „Ein Killer läuft frei herum“, „Zurück ins Licht“).

Will Eisners Spirit Archive Band 15 (6. Juli bis 28. Dezember 1947)

Ist Will Eisner eigentlich noch bekannt? Der Vater der Grafic Novel ist mittlerweile, posthum (gestorben 2005) der Großvater des grafischen Erzählens geworden. Da lohnt es sich, erst einmal zu klären, ob sich das Lesen seiner Geschichten aus historischen Gründen oder mit immer neuer Begeisterung lohnt. Einfinden muss man sich erst einmal in die ungewöhnlichen Restriktionen des Erzählens, denn etwas Vergleichbares ist mir bei heutigen Tageszeitungen nicht geläufig. Eisner musste eine komplette Geschichte auf sieben bis acht Seiten unterbringen und alle Raffinessen mit Spannungsbogen, Humor, Running Gags und allerlei mehr einbinden - das will erst einmal stimmig auf acht Seiten passen! Die Archive des Spirit sind Sammlungen solcher Geschichten und sie sind hier und da manchmal ihrer Zeitgeschichte, etwa dem 1947 erst kürzlich gewonnenen Krieg der USA, verbunden, ansonsten jedoch so weit in der Erzählweise seiner Zeit voraus, dass sich die Spirit-Geschichten auch heute noch mit Spannung, Witz und Begeisterung über erzählerische Feinheiten lesen lassen. Wo sich bei mancher Storyline anderer Autoren eine gute Idee finden lässt, die dann viel Speck ansetzt, zwingt die Form dieser Geschichten alle acht Seiten zu mindestens einem Geistesblitz und das – ganz nebenbei – über einige Jahre! Legendär ist seine Eigenart, den Titel immer wieder neu und immer wieder anders in das Anfangsbild einzuarbeiten (und es wieder auftauchen zu lassen, wenn die Mauer mit der Aufschrift in der Story wieder ins Bild rückt). Unbedingt empfehlenswert!

Ach, der kleine Fehler, den ich im Titel erwähne? Findige sollten mal einen Zweikampf im Regen suchen, bei dem die Kleider immer trocken erscheinen, so als wäre der Regen nur die Kulisse davor und nicht die Kämpfer mittendrin. Doch auf so hohem Niveau muss man Fehler schon suchen.

Will Eisners Spirit Archive Band 15 (6. Juli bis 28. Dezember 1947)
Grafik und Text: Will Eisner
mit einem Vorwort von N. C. Christopher Couch
192 Seiten, Hardcover, Farbe
Salleck Publications/Eckart Schott Verlag, Wattenheim, 49 Euro
2008


Am Besten kauft man sich das Band beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Will Eisners Spirit Archive Band 15 (6. Juli bis 28. Dezember 1947) kann man auch gerne hier kaufen. [2]

Will Eisners Spirit Archive Band 15 (6. Juli bis 28. Dezember 1947)

(c) der Abb. mit freundlicher Genehmigung: Salleck Publications/Eckart Schott Verlag


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