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Dolomitijahre - Ulf K. im Interview

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geschrieben von Maqz am 24.06.2012, 00:00 Uhr

Die wehmütige Zeitreise in die Kindheit

Ulf K. im InterviewDer Ausnahme-Comic-Künstler Ulf K.(eyenburg) verzaubert schon seit vielen Jahren deutsche, französische, schweizerische, kanadische, finnische und amerikanische Leser mit seinen Geschichten mit Titeln wie "Der Mondgucker", "Exlibris" oder "Der Kleine Herr Paul" (zusammen mit Martin Baltscheid). Sein neuerBand "Dolomiti-Jahre" (erschienen bei Edition 52) katapultiert den Leser der Generation-Mirácoli-Taggradewegs zurück in die Kindheit. Die Geschichten sind ursprünglich für das französische Magazin Patate Douce zwischen 2002 und 2006 entstanden. Dazu kommen zwei ganz neue Geschichten und endlich in Farbe „Das Jahr in dem wir Weltmeister wurden“. Wir haben beim Zeichner einmal kurz nachgefragt, wie es zu dem Comic kam.

ComicRadioShow : Hallo Ulf, beim Lesen der Dolomitijahre musste ich (wirklich) an meine eigene Kindheit denken und musste mich (und jetzt Dich) danach fragen "Hatten wir in den 70ern und 80ern alle die gleiche Kindheit mit Dolomiti-Eis, Mirácoli und Lenkdrachen?"

Ulf K.:Ich fürchte, dass war so. Die Auswahl in der Zeit war ja noch etwas beschränkt und Mirácoli war damals schon was besonderes. Wobei man die Liste schon noch erweitern könnte: Brauner Bär, Western von Gestern, Väter der Klamotte, Augsburger Puppenkiste, Cowboy und Indianer spielen ...

CRS: Du schreibst ja einleitend, dass das Heft biografische Tendenzen aufweisen könnte. Warum haben Deine Lebensgeschichten es aber nicht ganz ins Comic gebracht?

Ulf K. im InterviewUK: Bis auf das Weltmeisterjahr sind es ja schon meine Lebensgeschichten. Oder besser Geschichten - und das wollte ich mit der Einleitung zum Ausdruck bringen-, die auf meinem Leben beruhen, beziehungsweise von meinem Leben geprägt wurden.
Die Geschichte mit dem Lenkdrachen zum Beispiel hat sich so nicht abgespielt. Ich hatte zwar mal einen Lenkdrachen als Junge und der ist mir auch tatsächlich immer abgestürzt (und nach dem zehnten Mal war er dann auch im Eimer, weil die Spitze des Drachen die Aufschläge nicht ausgehalten hat), aber mein Vater hat den nicht weitergeflogen. Und Angst in die Badewanne zu gehen, wie in Seemonster, habe ich natürlich auch nicht.
Aber ich habe wirklich mal beim Mittagessen gekotzt und meinen Kinderarzt
Arschloch genannt.


CRS: Was sagen Deine Kinder zu den Dolomitijahren? Haben sie das Eis je genießen können?

UK: Meinem älteren Sohn (8) gefällt die Geschichte mit der Impfung, weil dort so laut Arschloch gesagt wird. Das ist ja eine von zwei Geschichten, die ich jetzt erst gezeichnet habe (nach dem sie lange ein Dasein im Skizzenbuch fristete) und er hat sie schon in der Entstehungsphase gesehen. Der jüngere Sohn (2 1/2) hat das Heft noch gar nicht richtig inspiziert. Das steht noch aus.

Mit den Altersangaben zu meinen Kindern ist dann eigentlich auch klar, dass beide das Dolomiti-Eis nie gegessen haben. Sie hätten es ja aber auch nicht in der Form bekommen, wie wir es kennen. In der kurzen Neuauflage, die es ja mal gab, waren das grüne und das rote Eis geschmacklich geändert. Wahrscheinlich wollte es auch deshalb keiner mehr essen. Was denken sich Firmen eigentlich dabei?

Ulf K. im Interview

CRS: Bei welcher Geschichte gab's Feedback von den Magazin-Lesern des Patate Douce?

UK: Bei keiner. Zumindest ist nichts bis zu mir vorgedrungen.

CRS: Welche Geschichte liegt Dir besonders am Herzen?

UK: Irgendwie die erste Geschichte. Die habe ich ja schon 1994 gezeichnet und fällt für mich somit in die Zeit, wo ich angefangen habe, andere Geschichten zu erzählen. Geschichten, die wirklich was mit mir zu tun hatten. Davor ging es meistens nur um Raumschiffe und alte Autos.
Daneben mag ich aber auch die Nackte Haut-Geschichte - vor allen Dingen aus
gestalterischer Sicht.
Ulf K. im Interview
CRS: Beschreiben die Geschichten in Dolomitijahre auch Deine künstlerische Entwicklung hin zum Kinderbuch?

UK: Nicht wirklich. Eigentlich fühlte ich mich dem Kinderbuch schon immer sehr verbunden. Es hat halt nur eine Weile gedauert, bis das Kinderbuch sich auch mit mir verbunden gefühlt hat (um das mal so auszudrücken).

CRS: Gibt es überhaupt eine künstlerische Entwicklung weg vom Comic und hin zum Kinderbuch?

UK: Nein. Mein anliegen ist ja eh genau das Gegenteil. Beides zusammenführen.

CRS: Werden die Dolomitijahre noch in anderen Ländern erscheinen und dort auch verstanden? (was mich eigentlich auch zur Frage kommen lässt, ob alle Kinder in Europa die gleiche Kindheit in den 70er und 80er Jahren erlebten?)

UK: Über Lizenzen ist noch nichts klar. Aber ich denke schon, dass sie verstandenwerden würden. Vielleicht hätten die Holländer ein Problem mit der Weltmeisterjahr-Geschichte. Wer weiß?

CRS: Magst Du eigentlich lieber international Comics verlegen, als in Deutschland (weil es evtl auch einfacher ist dort Anerkennung zu finden?)

UK: Ich finde es schon schön, in meiner Heimat zu veröffentlichen. [1] Abgesehen davon verlege ich ja gar nicht so viele Comics international. Zumindest ist es ja nicht mehr so, dass diese Sachen dann hier nicht veröffentlicht werden. Eine Zeitlang nach 1999, als der Mondgucker in Frankreich erschienen war, habe ich einiges für Fanzines dort gemacht. Dann kamen noch ein paar andere Länder dazu, alles aber im Sog vom Mondgucker.
Ich habe in den vergangen Jahren fast eigentlich nur Kinderbuch gemacht.
Zwischen dem Hieronymus B.-Comic und Dolomiti Jahre liegen fünf Jahre. Fünf
Jahre, in denen ich keinen Comic gemacht habe - mit Ausnahme meiner Geschichte für die FAZ in 2009, was ja auch schon wieder drei Jahre her ist.
Ob es einfacher ist im Ausland Anerkennung zu bekommen, da bin ich mir gar nicht so sicher. Ich mache mir darüber aber auch gar keine Gedanken mehr.

CRS: Wie war der Comicsalon in Erlangen heuer für Dich? Viel an den Leser gebracht?

UK: Nach zwei Comicsalons ohne neue Publikation war ich froh, endlich mal wieder mit was Neuem dabei zu sein. Die letzten Male fand ich dann doch irgendwie langweilig - auch wenn ich mehr Zeit für die Ausstellungen hatte.

CRS: Wo könnte man demnächst von Dir eine Signatur bekommen?

UK: Vielleicht in Frankfurt auf der Buchmesse - bin ich mir aber noch nicht sicher-, oder auf der ComicAction in Essen.

Ulf K. im Interview

CRS: Isst du heutzutage selber noch gerne Dolomiti und Mirácoli

UK: Das mit dem Eis hat sich ja von selbst erledigt. Miracoli mag ich heute
tatsächlich nicht mehr essen. Ich habe es einfach gelernt, dass man Saucen für Nudeln genauso schnell selber machen kann. Und wenn man sich dann noch die Zeit nimmt, die Nudeln selber zu machen, dann hat Miracoli leider gar keine Chance. Aber ich muss gestehen, dass ich manchmal sehr gerne eine Dose Ravioli essen mag. Die Gelegenheiten dazu werden aber seltener.

CRS: Lieber Ulf K., vielen Dank für das Gespräch!

UK: Gern geschehen!


Und hier eine kleine Leseprobe zu Dolomitijahre, die heuer bei Edition 52 erschienen sind [2]


(c) der Abb.: Ulf K. + Edition 52

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  [2] http://www.edition52.de/files/LeseprobeDolomitiJahre.pdf