Comic Radio Show

Die Mauer – Bericht aus Palästina

Rezensionen / Politik & Geschichte
geschrieben von M.Behringer am 21.05.2012, 00:00 Uhr

Kunstvoller Meta-Comic zum Nahost-Konflikt



Die mauer - Bericht aus Palästina [1]Es gibt verschiedene Arten von Mauern. Die chinesische Mauer, zum Beispiel, zählt zum Weltkulturerbe und zieht Touristenmassen an. Die ehemalige deutsche Mauer trennte dagegen West- von Ostdeutschland. Und die israelischen Sperranlagen schlängeln sich durch von Israelis besetzten palästinensischen Gebiet. Der Comicautor und Globetrotter Maximilien Le Roy hat seine Bekanntschaft mit dem palästinensischen Zeichner Mahmoud Abu Srour in 'Die Mauer' festgehalten. Die beiden haben sich bei einem Zeichenworkshop im Flüchtlingslager Aida bei Bethlehem kennengelernt.

Dabei ist ein 'Bericht aus Palästina' – so der Untertitel – herausgekommen, der sich um Mahmouds Alltagswelt dreht. Anhand des beispielhaften Einzelschicksals seines Kollegen zeigt Le Roy das Schicksal vieler Palästinenser. Mahmoud arbeitete vor dem Bau der Sperranlagen in Israel. Mit seinem über die Jahre erspartem Geld errichtete er ein Haus und kaufte sich Tiere. Unter einem undurchsichtigen Vorwand wurde er vom israelischen Militär verhört. Als er wieder nach Hause kam, war sein Haus bereits von Baggern in Einzelteile zerlegt und in den angrenzenden Fluss gekippt worden. Die Tiere wurden getötet und sein Vater brutal zusammengeschlagen.
Die Mauer - Bericht aus Palästina
Eine lineare Story gibt es nicht. Le Roy springt assoziativ zwischen Zeit und Raum und liefert mit 'Die Mauer' weniger einen Bericht als vielmehr einen Kommentar über die Situation in Palästina. Der Text kommt hauptsächlich mittels Voice Overs über die Bilder, Dialoge gibt es nur wenig. In diesem Comic-Diskurs spielen persönliche Ereignisse Mahmouds genauso eine Rolle wie die Bühne der internationalen Politik. In einem Moment wird noch Mahmouds Leidenschaft für Frauen thematisiert und im nächsten Augenblick philosophiert der Autor über politische, ethische oder religiöse Inhalte, so dass letzten Endes ein komplexer Meta-Comic über die Menschen aus Palästina entsteht.

Grafisch verwendet Le Roy verschiedene Stile. Die kunstvollen Zeichnungen lassen sich nicht so einfach einordnen, weil er realistische mit abstrakten und detailreiche mit hintergrundlosen Illustrationen abwechselt. Mit Kreide gezeichnet, liegt den Bildern eine gewisse Skizzenhaftigkeit zugrunde, die wohl eine spontane Herangehensweise erleichtert. Rückblenden sind oft schwarzweiß gestaltet, ansonsten verwendet Le Roy bevorzugt verschiedene Olive-Farbtöne, die an die symbolhaften Olivenbäume Palästinas erinnern, die von den Israelis beim Mauerbau gerodet wurden. Die abstrakten Sequenzen sind dagegen bunt koloriert und heben sich so von den realistischen Sequenzen stark ab.
Die Mauer - Bericht aus Palästina
Le Roy ist mit 'Die Mauer' ein künstlerisch brillanter und inhaltlich vielschichtiger Comic-Kommentar über Palästina gelungen. Mit seinem Freund Mahmoud hat er sich einen interessanten Protagonisten gewählt, um die vielen Facetten des Nahost-Konflikts auf einer beispielhaften Ebene zu veranschaulichen. Wie bereits in seiner Zusammenarbeit mit Michel Onfray in 'Nietzsche' erweist sich Le Roy als ein herausragender Comiczkünstler. 'Die Mauer' enthält als Ergänzung ein Fotoalbum von Mahmoud, eine Foto-Reportage von Maxence Emery sowie ein Interview mit Alain Gresh von 'Le Monde diplomatique'. Das Buch ist gut verarbeitet und enthält hervorragendes Papier, das die Illustrationen perfekt durch seine dicke und raue Beschaffenheit darstellt.


Die Mauer – Bericht aus Palästina
Von Maximilien Le Roy
Klappenbroschur, 104 Seiten
Edition Moderne 2012


Am Besten kauft man sich das Band beim Comic-Händler seines Vertrauens.
...jedoch...
Die Mauer – Bericht aus Palästina kann man auch hier kaufen. [2]

Die Mauer - Bericht aus Palästina

(c) der Abb., mit freundlicher Genehmigung: Edition Moderne und Maximilien Le Roy


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