Comic Radio Show

Die Karl May-Comics auf dem Prüfstand

Hintergründe / Western
geschrieben von Maqz am 18.05.2012, 00:00 Uhr

Teil 1: Die großen Vier - Leseprobe aus der neuen Sprechblase #224


Artikel: Stefan Meduna
Karl May Comics in Sprechblase Nummer 224 [1]Keinem anderen Autor als dem Volksschriftsteller Karl May (1842-1912) gelang es, ein derart umfangreiches Fundament an Schriften zu schaffen, die vor dem geistigen Auge mehrerer Generationen von Lesern ein ganzes Universum an Abenteuern voller unverwechselbarer Charaktere in unglaublicher Lebendigkeit und Bildhaftigkeit entstehen ließ. Kein Wunder, dass diese Bildhaftigkeit bald von vielen unterschiedlichen Malern und Zeichnern visualisiert wurde. Auch wenn die berühmten „Grünen Bände“ aus dem Karl May Verlag (im folgenden KMV) seit jeher auf Innenillustrationen verzichteten, entstanden für diverse andere deutsche und internationale Buchausgaben tausende wundervolle Zeichnungen von Künstlern wie Sascha Schneider, Zdenek Burian oder Carl Lindeberg bis hin zu Gustav Krum und Klaus Dill, um nur einige wenige zu nennen. Betrachtet man deren Grafiken, so sticht vor allem eins ins Auge: so unterschiedlich die Stile und Persönlichkeiten dieser Künstler sind, so vielfältig sind auch deren visuelle Interpretationen des May-Universums.

Und genau so verhält es sich bei den zahlreichen Comicadaptionen seiner Romane. Als Vorläufer der May-Comics können zweifellos die Sammelbilder aus der Vorkriegszeit und den 50er Jahren angesehen werden, die Karl Mays Werke erstmals in sequentiell zu betrachtende Bildfolgen umsetzten. Von der Vielzahl an Comicfassungen (die vor allem nach dem Erlöschen der Urheberrechte im Jahre 1963 erschienen) heben sich vor allem vier Adaptionen von der Masse ab – einerseits durch ihre Qualität, andererseits durch ihren Umfang. Es sind dies die Arbeiten des Spaniers Juan Arranz, des Flamen Willy Vandersteen, des Deutschen Helmut Nickel und des deutschstämmigen Jugoslawen Walter Neugebauer.

Karl May Comics in Sprechblase Nummer 224Eine Seite von Juan Arranz


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Sprechblase Nummer 224



Teil 2: Karl May-Comics aus Spanien bei Condor – ein Panoptikum der Skurrilität



Einzelne Werke Karl Mays waren in Spanien bereits zu seinen Lebzeiten verfügbar. 1894 gab der Verlag Rubinstein Hermanos eine zweibändige Ausgabe seines „Waldröschen“ heraus. 1915 erwarb Gustavo Gili beim KMV die Rechte für eine spanische Karl May-Gesamtausgabe, von der in den 20er Jahren immerhin 40 Folgen erschienen. Zu beachten ist allerdings, dass die Bände nur sehr dünn und im Pulp-Stil aufgemacht waren. „Winnetou 1“ etwa wurde unter dem Titel „Entre los pieles rojas“ („Unter Rothäuten“) auf vier Bändchen aufgeteilt, auch die einzelnen Storytitel sprechen für sich. Mit „La venus cobriza“ („Die kupferfarbene Venus“) ist z.B. Nscho-Tschi gemeint. Im Laufe der Jahrzehnte und bis heute veröffentlichten mehr als 20 spanische Verlage May-Romane, die meisten jedoch wie gehabt in Trivialliteratur-Aufmachung mit reißerischen Titeln. Der Großteil davon dürfte auch inhaltlich stark bearbeitet und umgeschrieben worden sein. Das könnte vielleicht die mangelnde Qualität so mancher spanischen Comicadaption erklären.

Karl May Comics in Sprechblase Nummer 224Eine Seite von Juan Arranz

Um 1970 brachte der Buchverlag Bruguera aus Barcelona etliche May-Romane heraus, manche davon mit Illustrationen in Comicform. Da Bruguera auch Comics veröffentlichte, bot sich natürlich eine Adaption der May-Stoffe an. Die Comicreihe JOYAS LITERARIAS JUVENILES (Literarische Juwelen für die Jugend) war ab 1970 lanciert worden und bot nach dem Vorbild der amerikanischen CLASSICS ILLUSTRATED Comicadaptionen von Abenteuerromanen der Weltliteratur. Es erschienen 269 Hefte (plus drei unnumerierte Sonderbände), darunter immerhin 21 May-Comics. Ab 1979 brachte Bruguera sogar eine deutschsprachige Ausgabe unter dem altbekannten Titel ILLUSTRIERTE KLASSIKER heraus, diese brachte es allerdings nur auf zehn Hefte, darunter keine May-Titel. Zu einem ersten Gastspiel in Deutschland kam es 1973 bei Bastei, als in Nr. 30 der Sonderbandreihe FELIX EXTRA „Winnetou 1“ (JLJ Nr. 43) erschien, gefolgt von „Der Schatz im Silbersee“ (JLJ Nr. 55) in BERÜHMTE GESCHICHTEN Nr. 38. Kräftigen Nachschub gab es dann im Condor Verlag, der 1976-1977 die Reihe EIN WESTERN-COMIC NACH KARL MAY mit 12 Heften herausgab.

Karl May Comics in Sprechblase Nummer 224Ein Karl May-Roman in der trashigen Aufmachung der Spanier.

Heft 1 (JLJ Nr. 87),“Die Plünderer“ basierte vage auf „Winnetou 3“. Die Geschichte beginnt mit einem Muskelmann, der mit seinem sichelförmigen Schnauzbart an einen Mexikaner erinnert. Er trifft in der Prärie auf den Westmann Langohr (im Roman Sans-ear, „Ohne-Ohr“ geannt, weil Navajos ihm selbige abgeschnitten haben), wobei folgender Dialog zustande kommt: „Mein Name ist Old Shatterhand!“ „Was für ein Name! Ich nenn dich Charlie!“. Charlie verlangt stets wütend, Old Shatterhand genannt zu werden, dieser Wunsch findet jedoch bei absolut niemandem Gehör. Dieser durchaus gelungene Running Gag (wollten sich die Macher über Karl May lustig machen?) zieht sich bis ans Ende des Heftes. Old Shatterhand erklärt sich jedenfalls bereit, mit Langohr die Mörder seiner Familie zu verfolgen. Aus welchem Grund? Old Shatterhand: „Ich brauche Geld… gut möglich, dass es eine Belohnung für sie gibt.“ Man stelle sich vor – Mays edler Westmann als primitiver Kopfgeldjäger! Hier wird deutlich, dass diese Comics mit der literarischen Vorlage kaum etwas gemein haben. Doch es sollte noch schlimmer kommen...



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