Comic Radio Show

Stuck Rubber Baby

Rezensionen / Biographisch
geschrieben von M.Behringer am 01.11.2011, 00:00 Uhr

Semi-autobiographisches Outing



Stuck Rubber Baby [1]Homosexualität ist längst kein Tabu-Thema mehr in Comics. Bereits 1993 erschien Peter Milligan und Duncan Fegredos Mystery-Serie 'Enigma', die einen schwulen Helden enthielt. Doch das Thema hat sich im Comicbereich längst nicht erschöpft: 2010 erschien Luca de Santis und Sara Colaones Graphic Novel 'Insel der Männer', das die Internierung von Schwulen thematisiert. Doch das von Kritikern am meisten gelobte Werk ist zweifelsohne Howard Cruse‘ semi-autobiographische Graphic Novel 'Stuck Rubber Baby', in der er Geschehenes mit Erdachtem vermischt. Die Graphic Novel war lange Zeit lang vergriffen und erscheint nun in einer Neuausgabe mit vielen Extras.

Die Story dreht sich um Toland Polk und spielt in der fiktiven Stadt Clayfield, im Süden der Vereinigten Staaten von Amerika. Damals, in den 1960er Jahren, begehrte die schwarze Bevölkerung in gewaltfreien Protestaktionen auf gegen Rassismus und verlangte die ihnen zustehenden Bürgerrechte ein. Toland Polk ist selbst zwar unpolitisch, aber er verliebt sich in eine Aktivistin und wird durch seinen Freundeskreis in die umwälzenden Ereignisse hineingezogen.

Stuck Rubber Baby

Doch Polk kämpft mit sich selbst: Er zweifelt trotz seiner Liebesbeziehung an seiner heterosexuellen Identität, was dadurch verstärkt wird, dass er mit schwulen Freunden unterwegs ist und das schwule Nachtleben kennenlernt. Die Ereignisse spitzen sich zu als rassistische Ku Klux Klan-Mitglieder die Jagd auf Schwarze, weiße Bürgerrechts-Sympathisanten und Schwule eröffnen.

Cruse fängt das angespannte Klima der Epoche meines Erachtens grandios ein. Das erhitzte Post-Kennedy-Amerika wird seiner Erzählung und in seinen Bildern lebendig. Die Stärke liegt jedoch in der Atmosphäre, eine detailreiche Schilderung der politischen Ereignisse findet man vergebens. Aber darum geht es Cruse auch gar nicht, denn schließlich thematisiert er die Schwierigkeiten und Hintergründe eines Schwulen, der sich seiner sexuellen Identität erst schrittweise bewusst wird. Und dann macht der Autor den Prozess von dieser Bewusstwerdung bis zum konsequenten Outing auf sensible Weise nachvollziehbar. Die aufgewühlte politische Stimmung spiegelt meines Erachtens auch das innere und emotionale Ringen des Protagonisten wider.

Cruse lässt Polk als gealterten Ich-Erzähler die Geschichte im Rückblick erzählen. Dadurch taucht der Leser meiner Meinung nach unmittelbar in die erfundene, aber durchaus vorstellbare Südstaatenwelt ein. Auch die schwarzweißen Zeichnungen unterstützen diese Glaubhaftigkeit. Cruse‘ Strich verzerrt zwar die Proportionen etwas, aber durch eine Detailfülle erzeugt er eine Intensität, die den Leser in den Bann zieht. Sein Stil erinnert etwas an Robert Crumb. Feine Schraffuren dämpfen den Kontrast insgesamt ab und verleihen dem Artwork mehr Nuancen.

Stuck Rubber Baby

Cruse‘ Graphic Novel ist meiner Ansicht nach ein Meisterwerk des semi-autobiographischen Comics. Der Autor hat das Mammutprojekt in vier Jahren gezeichnet. Seine Herangehensweise kann man in einem exklusiven Making Of nachvollziehen. Außerdem gibt es als Bonusmaterial ein Vorwort der lesbischen Comiczeichnerin Alison Bechdel (Fun Home) und einen Essay des Übersetzers Andreas C. Knigge.



Stuck Rubber Baby
von Howard Cruse
Hardcover, 240 Seiten
Cross Cult 2011



Am Besten kauft man sich das Band beim Comichändler seines Vertrauens
...jedoch...
Stuck Rubber Baby kann man auch gerne hier kaufen. [2]


Stuck Rubber Baby


(c) der Abb.: Cross-Cult Verlag + Howard Cruse

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