Comic Radio Show

Auf dunklen Wegen – die Prologe und die Geister

Rezensionen / Krieg etc.
geschrieben von jochen am 21.08.2010, 00:00 Uhr

Nachwirren an der Adria



Auf dunklen Wegen – die Prologe und die Geister [1] 'Auf dunklen Wegen' von David B. spielt kurz nach dem ersten Weltkrieg im Freistaat Fiume. Vor dieser historischen Kulisse wird eine den Nachkriegswirren angemessen verworrene Geschichte erzählt. Vorrangig werden die Erlebnisse des Ex-Soldaten und jetzigen Kleingauners Lauriano erzählt, den es nach Fiume verschlagen hat. Unter abstrusen Umständen lernt er die Sängerin Mina kennen und es entwickelt sich trotz (oder gerade wegen) der schwierigen Zeiten eine Liebesbeziehung.

Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts war Fiume ein unabhängiger Freistaat um die heute als Rijeka zu Kroatien gehörende Stadt. Zur Zeit der Handlung des Comics steht der Staat unter der Herrschaft des italienischen Nationalisten und Dichter Gabriele D’Annunzio, der Fiume mit seinen anarcho-faschistischen Truppen im September 1919 besetzte. Die Geschehnisse des Comics setzen 6 Monate später ein, zum einem Zeitpunkt, als viele schon von einer Herrschaft des Chaos reden.

Auf dunklen Wegen – die Prologe und die Geister

Allerlei Gestalten versuchen in der Stadt ihr Glück zu machen, ihre Kriegserlebnisse zu verdrängen, aber zum Teil auch zu verlängern. Der Comic fängt an mit einer Massenprügelei in der Stadt, was laut Comic nicht so ungewöhnlich ist und auch regelmässig wieder zu sehen ist. Währenddessen macht sich Lauriano mit seinem Kumpanen daran ihre Beute zurückzuklauen und befreit eher nebenbei Mina. Als ihre Beute dann wiederum zurückgeklaut wird, flüchtet er mit ihr dann schon fast klassisch über die Dächer der Stadt. Ein wilder Anfang.

Eine ruhige und einfache Abfolge kommt danach auch nicht vor, Handlung fliesst in Handlung, vieles ist mit einander verknüpft, es gibt einiges an Personal und Teilgeschichten zu beachten. Eine in Teilen abstruse Handlung wird serviert, manch Leser mag sich daran erinnern das der Dadaismus zu der Zeit stark prägend war und auf dessen Einfluss auf die Erzählung spekulieren. Auch die Sprache ist versetzt mit Raffinessen, ergibt aber nicht immer ein stimmiges Bild und wirft den Leser so manches Mal aus dem Fluss der Geschichte durch zu viel künstlerisches wollen und zu cleveren Texten.

Auf dunklen Wegen – die Prologe und die Geister

Die abstrakten, dem Expressionismus nahestehenden Zeichnungen, in denen sich die Szenarie zum Teil kubistisch auflöst, machen den Zugang zum Comic nicht direkt einfach. Zwar sind die wiederkehrenden Personen durch sehr prägnante Formen dargestellt und einfach im Getümmel der Handlung wieder zuerkennen. Aber es ist öfters schwer Regungen oder Empfindungen der Personen aus den Zeichnungen heraus zu erkennen. Das bewirkt eine stärkere Distanz zu den Geschehnissen, und die Liebesgeschichte zwischen Lauriano und Mina erscheint einem merkwürdig kalt.

Wenn man sich hingegen rein auf die graphische Gestaltung des Comics einlassen will bekommt man einiges geboten. Hier zeigen sich die herausragenden zeichnerischen Qualitäten von David B. Es gibt Massenszenen mit Unmengen klar ausgearbeiteten Einzelpersonen, abwechslungsreichen Seitenlayouts, von klassischen Panels zu Seiten deren Erzähltstruktur durch Panzerzügen geleitet wird. Dazu die Kolorierung von Humbert, die pro Seite mit relativ wenigen Farben arbeitet, aber in dieser Zurückhaltung gerade das richtige für die expressionistischen Zeichungen ist. .

Auf dunklen Wegen – die Prologe und die Geister

Ansonsten wundert man sich über die historische Einordnung und den Wahrheitsgehalt. So tauchen historische Personen wie der Staatschef D’Annunzio auf. Der erscheint arg merkwürdig und spinnert, das mag in Teilen mit der Historie in Einklang sein, aber im Rahmen des Comic weiss man nicht was man von dem Ganzen halten soll. Des Wechselspiel aus Historie und der erzählten Geschichte, die sich neben persönlichen Elementen wie Liebesgeschichten, Aufarbeitung von Kriegstraumata auch mit gesellschaftlichen Aspekten aus Politik oder Kunst beschäftigt, ergibt ein wackliges Gesamtgebilde.

David B. hat sehr viel in die Geschichte gesteckt aber insgesamt kleine klare Linie in ihr zu erkennen, die soll der Comic vielleicht auch gar nicht haben. Visuell gibt es eindrucksvolle Passagen, aber im Sinne einer gelungen Erzählung wäre manchmal weniger Effekt in Bild und Text hilfreich gewesen.

Und das Ende ist recht abrupt.


Auf dunklen Wegen – die Prologe und die Geister
Text und Zeichnungen von David B. [2]
Avant-Verlag, 24,95 Euro
124 Seiten, farbig



Auf dunklen Wegen – die Prologe und die Geister kannst Du gerne hier kaufen. [3]

(c) der Abb.: Reprodukt und David B.


Mehr zum Zeichner David B. hier [4]

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