Comic Radio Show

Abouet/Oubrerie: Aya 1-3

Rezensionen / Biographisch
geschrieben von Peixe am 11.02.2009, 00:00 Uhr

Jugendliche in der Elfenbeinküste - es geht ums andere Geschlecht...

Aya [1] Einen überaus seltenen und erfrischenden Einblick in ein afrikanisches Land bietet „Aya“: Alltag, Partys und Lebenskunst von jungen Menschen in Yopougnon in der Elfenbeinküste! Marguerite Abouet und Clément Oubrerie verzichten auf die übliche Perspektive auf Afrika als hilfsbedürftigen Entwicklungskontinent oder als krisengeschüttelte Region. Lebenslust und Krisenbewältigung von Jugendlichen einer Stadt in Côte d’Ivoire am Ende der 70er-Jahre sind ihre Themen.
- Wie trifft man sich als junges Paar, wenn nur wenige ein eigenes Zimmer besitzen?
- Wovon träumen Mädchen in einer patriarchal geprägten Umwelt?
- Wie macht man als gute Freundin den schüchternen Hervé zum Frauenheld?
- Wie verändern krasse Unterschiede zwischen Arm und Reich das Werben um die „gute Partie“?
Wer wissen will, wie sich „Aya“ angenehm von früheren, westlichen Versuchen „Afrika im Comic“ abhebt, lese den unten angefügten CRS-Bonustrack.

Aya
So erzählt Abouet die Geschichten als Stadtporträt einer Vielzahl von miteinander befreundeten Jugendlichen, die sich locker miteinander verweben. „Aya“ ist deutlich von der Frauenperspektive Abouets geprägt, denn die Frauen erscheinen plastisch und vielschichtig, während die Männertypen meist blass verbleiben und zudem oft negativ charakterisiert werden als schwach, untreu, geckenhaft, überheblich usw. Die 19-jährige Hauptperson Aya stellt Abouet als ernste und zielstrebige Person vor, während deren Freundinnen Adjoua und Bintou das Leben locker genießen und ganz klassische Ansprüche an ihre Zukunft haben: sich Herausputzen, um den passenden Mann zu gewinnen, Haus, Kinder… Darum ranken sich die bunt miteinander verwobenen Geschichten und Geschichtchen, die in „Aya“ in drei Bänden erzählt werden:
Aya [2]
- Männergeschichten, geheime Treffen an dunklen Plätzen, Untreue in der eigenen Familie,
- Schnösel reicher Eltern, die nur um des Reichtums ihrer Eltern geliebt werden, Rückkehrer aus Europa, die mit europäischem Erfolg bluffen, um die Mädels der Reihe nach zu verführen, schüchterne und arbeitslose Jugendliche, die sich keine Chance beim weiblichen Geschlecht ausmalen können,
- Geheimnisse um den Vater eines Kindes, die Intrige, sich in eine wohlhabende Familie einzuheiraten,
- Konflikte mit der Familie um Zukunftsperspektiven, wenn die Tochter studieren will, Konflikte mit Machos, die mit der selbstbewussten Aya so ihre Probleme bekommen.
Aya
All das ist hinreißend erzählt, mit flottem Schwung gezeichnet und bietet eine schöne Gelegenheit in das farbenfrohe und vielschichtige Leben in der Elfenbeinküste einzutauchen. Gerade die Einführung in unterschiedliche soziale Milieus und ganz verschiedene Lebensvorstellungen brechen mit afrikanischen Stereotypen und machen die Lektüre erhellend anderes und kosmopolitisch bereichernd. Irritierendes und Überraschendes finden ihren Platz nebeneinander. Wer jedoch schon ein bisschen Ahnung von Afrika besitzt, findet mühelos zwischen den Zeilen und unauffällig am Rande verstreut ausreichend interessante Hintergründe, etwa zu den Gründen auszuwandern, zur Hoffnung, die auf Europa gesetzt wird, oder zur Rolle der erfolglosen Rückkehrer aus Europa.
Aya [3]
Köstlich im wahrsten Sinne des Wortes und eine tolle Zusatzleistung zum eigentlichen Comic sind die „Ivorischen Bonustracks“ am Ende jedes Buches. Sie bieten ein Glossar, das es ermöglicht, die Sprache im Comic möglichst authentisch und dennoch verständlich zu halten, und praktische Tipps, etwa genaue Anleitungen, wie man ein Tuch als Rock (auch mit eingeschlungenem Baby!) oder Kopfbedeckung wickelt. Das beste an den „Ivorischen Bonustracks“ sind jedoch die Kochrezepte! Mit ihrer Hilfe kann man die in der Geschichte erwähnten ivorischen Gerichte schmackhaft mit Freunden verkosten. Besonders empfehle ich die Anleitung für die Erdnusssauce und für einen Ingwersaft, der als selbstgemachte Limonade köstlich scharf schmeckt und sich als origineller Cocktail für manche Party wunderbar „verlängern“ lässt. Ein herrlicher Einfall in diesem rundum gelungenen und schon preisgekrönten Debütalbum!

Die Autorin Marguerite Abouet stammt aus der Elfenbeinküste, erhält ihre Schulbildung aber in Paris, der Hauptstadt von Frankreich. Dort in der Nähe lebt und arbeitet sie heute als Rechtsanwaltsgehilfin. „Aya“ ist ihre erste Comic-Erzählung. Story und Text stammen von ihr, die Zeichnungen dazu von dem Franzosen Clément Oubrerie, auch für ihn ist es sein erster Comic.

Überaus bedauerlich, dass andere Comic-Autoren und Comic-Zeichner aus Afrika in Deutschland so gut wie unbekannt sind, um nur einige zu nennen:
- Christophe Ngalle Edimo (Kamerun)
- Stephen Francis / Rico (Südafrika)
- Samba Ndar Cisse, Alphonse Mendy (beide Senegal)
- oder Faustin Titi (Elfenbeinküste), obwohl Titi mit „Der Polizist von Gnasville“ den Comic-Preis „Africa e Mediterraneo“ der gleichnamigen italienischen Organisation gewonnen hat.
Dann könnte auch die Männerperspektive noch etwas authentischer in Wort und Bild und nach Europa gebracht werden…
Aya

Aya, Bände 1-3
Autor und Text: Marguerite Abouet, Zeichnungen: Clément Oubrerie
ca. 100-130 Seiten, Hardcover, farbig
Carlsen Verlag, Hamburg, je 14,90 Euro


Aya 1 kann man gerne hier kaufen. [4]

Aya 2 kann man gerne hier kaufen. [5]

Aya 3 kann man gerne hier kaufen. [6]

CRS-Bonustrack: Ein Vergleich mit anderen „Afrika“-Comics westlicher Machart!
Cover Tim im Kongo Wer erinnert sich noch an Hergés „Tim im Kongo“ von 1930? Das zweite Abenteuer von Tim und Struppi strotzt vor unerträglichen Klischees und afrikanischen Stereotypen seiner Zeit, ein Wunder, dass es überhaupt offiziell vertrieben wurde und nicht wie „Im Lande der Sowjets“ lange aus Bücherläden verschwand. Die spärlichen Quellen, die Hergé über diese Länder hatte, waren ahnungslos und obendrein tendenziös. Zudem war die gezielte Absicht von Hergés belgischem Herausgeber, Pater Norbert Wallez, Begeisterung bei Jugendlichen für die belgische und katholische Missionierung in der Kolonialzeit zu wecken. Insgesamt ein gruseliges Beispiel, wie ein afrikanisches Land und das Medium Comic für Interessen von Industrienationen missbraucht worden sind.
Hergé und Chang (Zur Ehrenrettung von Hergé und den katholischen Patres: Bei den Arbeiten zum 5. Abenteuer „Der Blaue Lotos“ erfuhr Pater Gosset, der katholische Kaplan für chinesische Studenten an der Katholischen Universität Leuven, vom Schluss des vorherigen Abenteuers, dass Tim nach China reisen werde. Pater Gosset bat Hergé, über China besser informiert zu schreiben und brachte ihn mit einem chinesischen Studenten zusammen, der eine sehr viel bessere Quelle für Hergé wurde und die Darstellung von China lebendiger und echter machte - ein qualitativer Sprung!)

Doch auch gut gemeinte Beispiele wie Coseys „Aminata. Eine Reise durch Afrika“ (Carlsen Verlag 1994) sprühen nicht vor Originalität und verfolgen leicht durchschaubare Ziele, etwa Entwicklungshilfe verständlich zu machen. In „Aminata“ sucht eine junge Frau namens Zélie, die von Adoptiveltern in der Schweiz großgezogen wurde, in ihrem Heimatland Burkina Faso ihre Kindheitsfreundin. Die Suche dient vornehmlich dazu, diverse Projekte der Entwicklungshilfe zu präsentieren. Der Blick auf „Afrika“ - eigentlich geht es ausschließlich um Burkina Faso - erfolgt also wieder von der westlichen, hilfsorientierten Warte aus.

Von diesen Versuchen hebt sich „Aya“ angenehm ab.


(c) der Abb.: Carlsen und Oubrerie

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