Comic Radio Show

Insel Bourbon 1730

Rezensionen / Schwarz-Weiss
geschrieben von Micha am 12.12.2008, 00:00 Uhr

Ein Meister kehrt zurück


Insel Bourbon 1730 [1] Als Lewis Trondheim, der große Neuerer des französischen Comics der 90er, vor ein paar Jahren verkündete, fortan keine Comics mehr zeichnen zu wollen, war das Entsetzen groß. Doch zum Glück hat Trondheim seinen Vorsatz nicht durchgehalten und legt mit „Insel Bourbon 1730“ gar seinen umfangreichsten Comic seit seinem Erstling „Lapinot et les carottes de Patagonie“ vor. Der Dank dafür gebührt dem Co-Szenaristen Appollo, der fast 3 Jahrzehnte auf der heutigen Insel Réunion bei Madagaskar lebte, dort ein Comicfestival organisierte und sich von der Inselgeschichte zu diesem Werk inspirieren ließ.

Insel Bourbon 1730
Es geht um das Ende der großen Zeit des Piratentums im indischen Ozean (also der vor der jetzigen) und des damaligen sozialen Gefüges auf Bourbon. Die meisten Piraten sind mittlerweile gefangen, versklavt oder haben ein bürgerliches Leben als sklavenhaltende Kaffeeplantagenbesitzer eingeschlagen. Letztere müssen sich mit den „Marrons“ herumschlagen, marodierenden Gruppen entlaufener Sklaven, die in den Wäldern eine dörfliche Parallelgesellschaft bilden, aber sich vor Sklavenjägern in Acht nehmen müssen.

Es gibt keine zentrale Figur in dieser Erzählung, auch wenn die Expedition eines Ornithologen, der auf der Suche nach einem Dodo die gesamte Insel überquert, als Rahmen dient. Weder ihm noch seinem jungen Studenten Raphael mit dem romantisch verklärten, nun mit der Realität konfrontierten Piratenbild wird mehr Platz eingeräumt als den vielen anderen griffig charakterisierten Figuren, von denen einige wirklich gelebt haben. So etwa der Kapitän Dhermitte, der seinen ebenfalls realen Kollegen La Buse vor dessen Hinrichtung aus den Fängen des Gouverneurs befreien will.
Insel Bourbon 1730
Es hat Trondheims Comics immer ausgezeichnet, dass er so manches demonstrativ anders macht als es gewöhnlicher Usus ist. So auch hier: Als Raphael im gebirgigen Urwald die vor ihrem sklavenschindenden Vater weggelaufene Virginie findet, glaubt der Leser, nun auf die Liebesgeschichte zu stoßen. Doch die beiden finden einander wegen ihrer konträren Ansichten sofort und dauerhaft unausstehlich.

Zeichnerisch bietet Trondheim das Gewohnte: Anthropomorphe Tiere, ein krakelig wirkender, aber ausdrucksstarker Strich, der dennoch viel Athmosphäre erzeugt. Gegenüber seinen Frühwerken ist der Stil jedoch weniger flächig und bietet insbesondere in der Darstellung der Vegetation mehr Struktur. Dies geht allerdings auf Kosten der Klarheit, und ab und zu muss man das Liniengewirr schon mit etwas Mühe entziffern - was sich immerhin lohnt. Möglicherweise würde eine Kolorierung diesem Comic guttun (im Sinne von: noch besser machen). Was nicht ist, kann vielleicht noch werden, wie das Beispiel Corto Maltese zeigt. Die Grundstimmung in diesem Band ist jedenfalls sehr ähnlich.
Insel Bourbon 1730

Insel Bourbon 1730
von Appollo und Lewis Trondheim,
288 Seiten, Klappenbroschur
Reprodukt-Verlag, 17,00 Euro



Insel Bourbon 1730 kannst Du gerne hier [2] kaufen.



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