Innovativer Comic über den Freiheitskampf in Niederländisch-Ostindien
[1] Peter van Dongen’s Comic „Rampokan: Java“ befasst sich mit einem totgeschwiegen sehr dunklen Punkt der niederländischen Geschichte. Nie zuvor wurde dieses historische Thema im Detail in einem Comic behandelt bzw. angesprochen. Der Hintergrund von Rampokan ist die Zeit in Niederländisch-Ostindien, auch bekannt als Niederländisch-Indien oder Insulinde unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg. Niederländisch-Ostindien war der unter niederländischer Herrschaft stehende Vorläufer der Republik Indonesien.
Nachdem Niederländisch-Ostindien im 2. Weltkrieg von den Japanern besetzt worden war, versuchten Gruppen der einheimischen Bevölkerung, das der Niederlage der Japaner folgende Machtvakuum zu nutzen, um die Unabhängigkeit des Landes durchzusetzen. Die bis zur Besetzung herrschenden Niederländer wollten die alten kolonialen Verhältnisse jedoch wieder herstellten. Dies führte zu zwei sogenannten Polizeiaktionen gegen die aufständischen Indonesier. Letztlich musste sich die Regierung im weit entfernten Holland weniger den herrschenden Machtverhältnissen als vielmehr dem internationalen politischen Druck beugen.
Peter van Dongens (geb. 1966) Erstlingswerk war 1990 „Muizentheater" (Mäusetheater), eine spannende Geschichte, die von zwei Jungs aus der Arbeiterklasse handelt, die in den Jahren der Depression in Amsterdam aufwachsen. In "Muizentheater“ gibt es keine Amsterdamer Kanäle zu bewundern, denn van Dongen hasst Klischees. 1991 erhielt er für „Muizentheater“ den niederländischen Stripschapprijs für den besten Comic des Jahres.
Da van Dongen aber auch keine Abgabefristen für Comic-Storys mag, dauerte es fast ein Jahrzehnt, bevor van Dongen sein nächstes Buch "Rampokan" veröffentlichte.
Der Autor präsentiert die Geschichte des Unabhängigkeitskampfes in einer atemberaubenden klaren Linie mit Sepia Färbung.
Irgendwie hat man als Leser ständig das Gefühl, als ob ein Flair von Hergé's klassisch-kolonialer Geschichte „Tim im Kongo“ über der Handlung schwebt. 2004 erschien der zweite Teil der Geschichte "Rampokan: Celebes".
Im Jahr 2005 organisierte van Dongen eine Reihe von Ausstellungen mit Werken von indonesischen Künstlern wie Tita und Anto Motulz an mehreren Standorten in Java.
Peter van Dongens Interesse kam nicht zufällig zustande. Er lernte Indonesien durch die Erzählungen seiner chinesisch-indonesischen Mutter kennen. Ihre traumatischen Erinnerungen an das Bombardement der Hafenstadt Makassar ließen auch ihn nachdenklich werden. Und so entstand mit Rampokan nicht nur ein spannender, sondern auch historischer und psychologischer Comic-Roman über einen Abschnitt niederländischer Kolonialpolitik: ein durchaus gewagtes Experiment.
Neben verschiedenen einzelnen Handlungsfäden verbindet die Geschichte als roter Faden das Schicksal des in Niederländisch-Ostindien geboren Sohnes eines niederländischen Verwaltungsbeamten namens Johan Knevel. Nach mehreren Jahren des Studiums in den besetzten Niederlanden kehrt er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem niederländischen Militär in die Kolonie zurück, vor allem aber ist er auf der Suche nach der alten Heimat und Spuren seiner Jugendzeit. Bereits auf der Überfahrt mit dem Truppendampfer macht er sich schuldig an dem Tod eines Kameraden. Durch Erpressbarkeit gerät er dadurch später in dunkle Geschäfte.
In Niederländisch-Ostindien angekommen muss Johan aber feststellen, dass die guten, scheinbar idyllischen alten Kolonialzeiten endgültig der Vergangenheit angehören. Die Stimmung in der Bevölkerung ist allerorten spürbar schlecht, die alten Kolonialherren nicht mehr erwünscht, das Misstrauen auf beiden Seiten hoch. Die Niederländer benehmen sich nicht anders als andere Kolonialmächte oder Besatzer: korrupt, arrogant und überheblich. Auch vor Kriegsverbrechen wird zur Abschreckung nicht zurückgescheut. Selbst der Standortkommandant behandelt Einheimische nur als Lakaien und seine Hausdame ist für ihn gleichzeitig auch noch seine persönliche Prostituierte.
Van Dongen ist wie gesagt sehr mutig und deckt die dunklen Punkte dieser letzten Jahre der niederländischen Kolonialherrschaft auf Java gnadenlos auf. Sehr gut: die detaillierte Ausarbeitung der Handlung/Dialoge unter Verwendung der Historie und javanischer Tradition. Scheinbar mühelos kombiniert er traditionelle Stilelemente und eine dynamische Bildregie mit einer sorgfältig recherchierten historischen Erzählung.
Ein faszinierender Comic um (persönliche) Verluste, Krieg und Ideale. Rampokan wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Van Dongen gilt als einer der wenigen innovativen Erzähler moderner Bildgeschichten in den Niederlanden.
Rampokan: Java
von Peter van Dongen
SC, s/w mit brauner Schmuckfarbe, 72 Seiten
Avant-Verlag, 17,95 €
Rampokan: Celebes kann man gerne hier kaufen. [2]
Rampokan: Java kann man gerne hier kaufen. [3]
(c) Abbildungen: Avant Verlag + Autor
|