Comic Radio Show

Cargo - Das Israelisch - Deutsche Projekt in der Diskussion

Interviews / Anthologien
geschrieben von Maqz am 16.06.2006, 14:34 Uhr

Dieser Band ist gefährlich!

cargoIn sechs Comicreportagen erzählen sechs Comiczeichner aus Deutschland und Israel, wie sie das jeweils anderen Land erleben. Auf insgesamt 144 Seiten wird erzählt, wie Deutschland und wie Israel so ist. Ohne Filter, ohne Vorurteile kann man sich als Leser einen Teil der Wirklichkeit aus den Seiten ziehen. Doch dieses Projekt, gefördert durch das Goethe Institut und die Kulturstiftung des Bundes anlässlich des 40jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, ist vereinzelt nicht nur positiv aufgenommen worden. Jens Harder nimmt im Interview dazu und zu dem Projekt im allgemeinen Stellung.

CRS: Jens, wie waren die Reaktionen auf dieses Comic-Projekt in der Öffentlichkeit, wie wurde es in Israel, wie in Deutschland aufgenommen?

Jens: Erst einmal war es sehr positiv und überhaupt die Voraussetzung für dessen Zustandekommen, dass die Stiftung und das G.-I. uns so großzügig und vorbehaltlos gefördert hatten. Auch die Reaktionen im Kollegen- und Freundeskreis waren ausgesprochen begeistert.
Und die ersten Pressekritiken, wie zum Beispiel in der "Jüdischen Allgemeinen", im "Tagesspiegel" oder der "Berliner" dementsprechend, wie auch im deutschen Rundfunk und Fernsehen, sowie generell in den israelischen Medien. Doch einige Nachzügler innerhalb der deutschen Presse zeigten ein anderes Bild, sprachen von Unverständnis bis hin zu Ablehnung.

CRS: Wart ihr dadurch sehr getroffen?

Jens: Kritik in jeder Form ist legitim und höchst willkommen, und es wäre geradezu unheimlich, wenn bei einem Projekt von solchem Umfang keine käme. Aber diese negativ konotierten Rezeptionen zeugten von solcher Klischeebehaftung von Seiten der Schreiber, dass wir uns schon sehr wunderten.

CRS: Seid Ihr denn jetzt mit "Cargo" so "gefährlich", wie in einer Rezension so zu lesen war?

Jens: Klar sind wir gefährlich - gefährlich für Altlinke, die noch immer die Kefjah unterm Anzug tragen, und natürlich auch gefährlich für die noch üblere Seite mit dem N.P.D.-Abzeichen unterm Revers. Wir wollen, wie es unser Vorwortschreiber Henryk M. Broder schon umriß, ein anderes Verhältnis unserer beiden Länder bzw. deren Bewohner, wollen, dass sie miteinander entspannt, offen, aber durchaus auch kritisch umgehen, im Bewußtsein der Historie, die zwar im Hintergrund steht, aber ohne dass man ständig darauf eingehen muss.
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CRS: Was wäre für Euch das Wichtigste, was man über "Cargo" sagen sollte? "Guter Reiseführer" für Israel und Deutschland, "Proisraelischer Werbeband" oder doch die ideale Möglichkeit, mal den "richtigen" Eindruck über ein Land zu bekommen?

Jens: Richtige Eindrücke gibt´s ja nicht meiner Meinung nach, Wahrnehmung ist immer mehr oder weniger subjektiv gefärbt - man muß nur immer entscheiden, wie stark man dieses Subjektive unterdrückt oder ihm Raum gibt. Also wenn, dann ist "Cargo" eine Momentaufnahme des Anderen, reich an Beobachtungen und Episoden, ein gezeichnetes Spiegelbild mit
Ecken und Kanten, deshalb wohl nicht so gut als Werbeband geeignet, und als Reiseführer zu selektiv. Die beiden Länder sind so viel facettenreicher - im besten Fall wird der Leser so neugierig, sich sein eigenes Bild davon zu machen. Vorher natürlich soll er eintauchen in unsere Comicgeschichten, die wohl zum ersten Mal im Medium Comic eine Sicht aus diesem Blickwinkel wagen - ein aktuelles Porträt unseres Landes aus israelischer Feder und umgekehrt ...
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CRS: Bei diesem Thema ist bisher noch niemand auf Euer Artwork eingegangen, dass ich für diese Form der Comic-Reportage für sehr gelungen halte. Sind solche Projekte in künstlerischer Hinsicht, wenn schon nicht für die Rezensenten, dann wenigstens für die potentiellen Leser interessant? Wie habt Ihr, wie haben die Israelis, gezeichnet?

Jens: Aber klar ist es spannend, allein die stilistische Bandbreite, aber auch die Herangehensweise und Art der Erzählung. Sicher haben dem einen oder anderen Leser nicht alle sechs Autoren gleich gefallen, aber das wäre auch ein seltener Glücksfall. Also an den Reaktionen merken wir jeden Tag aufs Neue, wie unsere Ausstellungsbesucher oder Leser die Arbeiten zum Nachdenken anregen, inhaltlich, aber auch visuell.
Gearbeitet haben wir alle sehr unterschiedlich: Rutu und Guy rein digital, wobei natürlich Skizzen und Fotos die Basis bildeten, Yirmi sowie wir Berliner dagegen "klassisch" mit Feder oder Sift auf Papier, dabei aber auch auf einen reichen Fundus an Recherchematerial zurückgreifend - ich habe allein 3.000 Digitalshots zum Erstellen der Seiten herangezogen, dazu dann noch hunderte Analogfotos und ein auf der Reise gedrehter Videofilm.
All das, und dazu viele Gespräche und Notizen, floss in die Arbeit ein - bei den Kollegen natürlich ebenso wie bei mir. Es war ein ordentlicher Batzen Arbeit, aber es hat jede Minute gelohnt, und wir sind sehr glücklich mit dem Ergebnis.

CRS: Jens, vielen Dank für das Gespräch!
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(c) Bilder liegt bei den Autoren.

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