Comic Radio Show

Zeichnen ist meine Sprache

Interviews / Deutsch
geschrieben von Maqz am 19.03.2006, 00:00 Uhr

Interview mit Timo Wuerz

von Kathinka Knoll
 Interview mit Timo Würz
Die Bandbreite seiner künstlerischen Tätigkeit ist nahezu grenzenlos. Es gibt kaum etwas, was er nicht schon gezeichnet hat. Ob Comics, Kinderbücher, CD-Cover oder Plakate, Timo Wuerz ist ohne Zweifel als Multitalent zu bezeichnen und lässt sich in keine bestimmte Schublade stecken. Dazu kommt seine offene, sympathische Art, die das Klischee des zurückgezogen lebenden Künstlers deutlich widerlegt...

Kathinka: Oft kann man feststellen, dass Begabungen von bestimmten Personen aus der Familie an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Gibt es bei Dir jemanden in der Familie, der besonders gut zeichnen kann?

Timo:Eigentlich habe ich mir das Zeichnen selbst beigebracht. Wenn ich allerdings jemanden nennen müsste, wäre das abgesehen von meiner Mutter, die mit mir die ersten Malversuche unternommen hat, bis ich etwa drei Jahre alt war, auch mein Vater. Er hat sich die klassische Kunst zum Hobby gemacht, malt Ölbilder und Stilleben. Schon als kleiner Junge hatte ich dadurch einerseits die Möglichkeit, ihm ab und zu über die Schulter zu schauen und andererseits in das Sortiment seiner Farben einzusehen, um dann auszuprobieren, welche ich für mich nutzen möchte und welche nicht.
Bereichert hat mich außerdem die Freundschaft mit Niki Kopp. Schon als Kinder haben wir uns verschiedene Gesichter ausgedacht und dann nachgezeichnet.
 Interview mit Timo Würz
Kathinka: Mit 14 Jahren die erste Ausstellung, mit 15 schon die ersten Veröffentlichungen. Viele Jugendliche haben in diesem Alter noch ganz andere Dinge im Kopf. Wie kam es dazu, dass Du Dich schon damals mit solchen Themen auseinandergesetzt hast? Bekamst Du Unterstützung?

Timo:Unterstützung bekam ich durchweg von meinen Eltern. Zwar übten sie keinerlei Druck auf mich aus, aber gerade mein Vater erzählte gerne anderen Künstlern von mir und so kam es auch zu den ersten Ausstellungen. Mit meinem Vater war ich früher schon oft in Erlangen auf dem Comic-Salon. Dazu kam, dass ich regelmäßig für die Schülerzeitung Comics zeichnete.
Wahrscheinlich war ich aber mit 15 Jahren schon so weit, weil ich so früh mit dem Zeichnen begonnen hatte. Zeichnen ist und war auch schon von klein auf meine Sprache, meine Art mich auszudrücken. Ich habe schon gezeichnet, bevor ich überhaupt sprechen konnte.

Kathinka: Woher nimmst Du die zahlreichen Ideen? Gibt es Alltagssituationen, die Dich zu neuen Projekten animieren? Woher kommt die Inspiration?

Timo:Abgesehen von einigen Filmen und der Popkultur, die mich in gewisser Hinsicht prägten, fällt mir eigentlich immer etwas Neues ein, ohne dass es einer Inspiration von außen bedarf. Bisher konnte ich mich also immer ganz gut auf meine innere Stimme verlassen. Natürlich prägen mich in gewisser Hinsicht auch Alltagssituationen oder persönliche Erlebnisse. Jeder Mensch kann nur anständig denken, wenn er sich auch bewegt, das heißt seine Umwelt wahrnimmt. Wichtig ist allerdings, dass man sich nicht nur auf eine Sache versteift, sondern das Spektrum seiner Interessen ständig erweitert, offen bleibt für alles. Wenn ich mich allen Bereichen mit der gleichen Hingabe widme, kommen die Ideen ganz von selbst.

Kathinka: Viele Künstler müssen zeitweise eine Art „Schaffenskrise“ hinnehmen? Gibt es Tage, an denen Dir das Zeichnen schwer fällt, die Kreativität dem eigenen Anspruch nicht gerecht wird?
 Interview mit Timo Würz
Timo:Diese Tage gibt es nicht mehr. Im Lauf der Zeit stellt sich eine gewisse Routine beziehungsweise eine Art der Professionalität ein, die es ermöglicht, immer ein gewisses Niveau zu halten. Selbst an Tagen, an denen ich selbst vielleicht nicht ganz so zufrieden bin wie sonst, würde das ein Außenstehender an meinen Bildern nicht erkennen. Ich bin sehr diszipliniert, lasse auch keine Schwächen während der Arbeit zu. Da die Geschichte meist vorab schon feststeht, bevor ich zu zeichnen beginne, geht es dann nur noch um dieses Handwerk, das mir ja sozusagen im Blut liegt. Oft telefoniere ich sogar während des Zeichnens, ohne dass das etwas an der Qualität meiner Bilder ändern würde.

Kathinka: Mit 14 schon die erste Ausstellung, heute bist Du 32 Jahre alt. Welche Entwicklungsstufen konntest Du über die Jahre hinweg an Deinen Werken beziehungsweise an Deiner Arbeitsweise erkennen?

Timo:An der Entstehung meiner Projekte kann ich eigentlich gar keine große Veränderung feststellen, außer dass sie vielfältiger geworden sind. Meine Interessen haben sich ausgeweitet. Es gibt immer wieder Neues zu entdecken. Oft stelle ich fest, dass ich mich heute mit Dingen beschäftige, die ich vor ein paar Jahren noch für unmöglich gehalten habe. Wichtig ist immer nur, dass man sich mit dem eigenen Schaffen wohl fühlt. Meine Arbeitsweise hat sich dahingehend verändert, dass ich oft mehr Zeit für Projekte benötige als früher. Der Grund liegt zum einen darin, dass ich heute weitaus mehr Verpflichtungen nachgehen muss als vor einigen Jahren. Zudem habe ich auch an der unternehmerischen Seite Gefallen gefunden. Ich beauftrage keinen Agenten und keine Werbeagentur für die eigene Vermarktung, sondern übernehme alles, auch die Aushandlung der Verträge selbst. Damit kann ich vermeiden, dass meine Arbeit einen zu kommerziellen Charakter bekommt und das Projekt selbst im Vordergrund bestehen bleibt.
 Interview mit Timo Würz
Kathinka: In vielen Werken bringt sich der Künstler selbst als Figur mit ein. Kann man bestimmte Charaktereigenschaften von Timo Wuerz auch in seinen „Figuren“ wieder finden?

Timo:Die Charaktere meiner Comics sind nicht darauf ausgelegt, mich selbst mit einzubringen. Natürlich kann sich dem aber kein Mensch völlig entziehen. Ich habe etwas gezeichnet, also bringe ich zwangsläufig einen Teil von mir mit ein. Im Grunde haben meine „Figuren“ aber wenig Eigenleben. Man kann sich das vorstellen, wie beim Schachspiel. Die Figuren können arrangiert, immer in andere Positionen gebracht werden.
Bis auf die Serie „Lula und Yankee“, die von Personen aus meinem Umfeld geprägt wurde, wähle ich meine Figuren willkürlich. Es ist schwierig, wenn man Charakteren aus dem Freundeskreis mit einbringt. Manche Freundschaften halten nicht. Dann kann man im Nachhinein an diesem Projekt, das diese Personen mit einbezogen hat, nicht mehr völlig neutral weiterarbeiten.

Kathinka: Hattest Du in den vergangenen Jahren jemals das Bedürfnis einem anderen Beruf nachzugehen?

Timo:Nein! Ich habe noch nie einen Gedanken daran verschwendet, den Beruf zu wechseln. Dazu bin ich auch einfach zu übermotiviert. Die Frage ist doch außerdem, was man opfert, wenn man das, was man als seinen „Traumjob“ bezeichnet, aufgibt, nur weil es vielleicht manchmal nicht so läuft, wie man sich das vorstellt. Auch wenn ich mich nicht wirklich an eine solche Situation erinnern kann, „Durchhalten“ gilt für mich immer als oberstes Gebot. Natürlich genieße ich auch gewisse Vorteile. Zum einen durfte ich mein Hobby zum Beruf machen, zum anderen habe ich einen wirklich guten Freund (was die meisten nicht wissen, eigentlich meinen Cousin) an meiner Seite, mit dem ich zusammen arbeiten kann. Wir haben beide großes Vertrauen in die gegenseitige Arbeit und sind absolut gleichberechtigte Partner. Es erleichtert natürlich vieles, wenn du dich immer auf jemanden verlassen kannst, jemandem blind vertraust. Wir ergänzen uns, liegen auf einer Wellenlänge. Oft sitzen wir einfach nur zusammen und überlegen uns neue Geschichten. Gerade bei größeren Projekten kommt die Idee erst nach längeren Auseinandersetzungen mit der Thematik. Das Glück ist, dass wir uns während der Arbeit auch ohne viele Worte verstehen.
 Interview mit Timo Würz
Kathinka: Welche Entwicklungen kann man in der Künstlerszene feststellen? Gibt es viele Projekte, die sich nach aktuellen Trends richten? Verfolgst Du solche Entwicklungen?

Timo:Dazu muss ich erst einmal sagen, dass ich aktuelle Entwicklungen nicht wirklich verfolge. Bestimmt gibt es Künstler, die aus kommerziellen Gründen versuchen, sich nach der breiten Masse zu richten. Dazu zähle ich mich allerdings nicht. Meiner Meinung nach existieren deutliche Trends nicht mehr wirklich, dazu existieren zu viele Strömungen parallel. Meist ist es so, dass man eine gewisse Tendenz erkennen kann. Wenn ich dann aber versuchen würde, ein Projekt dazu zu entwickeln, wäre der Trend wohl schon wieder vorbei. Ich fühle mich keinem Trend zugehörig, lege besonderen Wert darauf, meine eigenen Ideen umsetzen zu können. Früher war ich dabei noch kompromissloser, während ich heute allem Neuen offen gegenüber stehe.

Kathinka: Gibt es für Dich, als vielfältiger und erfolgreicher Künstler, noch Herausforderungen?

Timo:Abgesehen von meiner Vorstellung, vielleicht einmal in Irland als Schafzüchter tätig zu sein, gibt es natürlich auch für mich noch Herausforderungen. Ich schließe dabei nichts aus. Manche Projekte, die man heute noch für unmöglich hält, können morgen schon zur spannenden Aufgabe werden. Es gibt nichts, was ich nicht machen möchte oder von dem ich behaupten würde, es niemals auszuprobieren. Beispielsweise habe ich noch nie eine „Liebesgeschichte“ entworfen. Wie ich schon sagte, besitzen meine Figuren kein Eigenleben, geschweige denn individuelle Charaktereigenschaften. Eine „Liebesgeschichte“ würde dies erfordern. Mal sehen, vielleicht wird das eine neue Aufgabe...
Ganz abgesehen von der Kunst würde mich auch einmal die unternehmerische Seite interessieren. Ich finde zunehmend Gefallen daran.

Kathinka: Eine letzte Frage: Dein Buch „Günter, der innere Schweinhund“ gibt es nun auch als koreanische Ausgabe. Wie kam es dazu und macht so etwas nicht richtig stolz?
 Interview mit Timo Würz
Timo:Das Ganze lief über den Verlag. Natürlich ist man darauf stolz, wobei ich sagen muss, dass ich erledigte Projekte meist weglege und mich dann auch gleich wieder neuen Dingen widme. Es ist natürlich lustig, wie das Buch nun mit den koreanischen Schriftzeichen aussieht.
Ich bin ein Merchandising-Fan. Es ist toll, wenn man zum Beispiel ein Snowboard besitzt, auf dem das eigene Kunstwerk zu sehen ist. Für solche Dinge kann ich mich immer wieder begeistern.


Kathinka: Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast.


Interview vom vom 11.03.2006

(c) Fotos: Timo Würz


ÜBRIGENS:

Ausstellung: Spooky Sally vs. Timo Wuerz 20.01.06

Sie unterscheiden sich durch ihre Technik: Fotoapparat gegen Pinsel. Sie verbindet die Vorliebe für Pin-Ups, amerikanische Pop-Kultur und Stil-Zitate der 40er und 50er Jahre, umgesetzt mit ihren modernen Techniken und gesehen durch ihre eigenen Persönlichkeiten.

Vernissage 3. März 2006 ab 19 Uhr
9. März bis 19. Mai 2006
Montag bis Freitag 9 Uhr bis 17 Uhr
Werkhalle SIGNal Reklame im Solpark
Geschwister Scholl-Strasse 85
74523 Schwäbisch Hall
Eintritt frei


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