Comic Radio Show

Comic-Journalismus: Palestine von Joe Sacco

Rezensionen / Politik & Geschichte
geschrieben von jochen am 29.08.2002, 00:02 Uhr

Intifada als Comic


cover [1]
Es ist schon sehr schade (oder eine Schande ?), dass ein Comic über einen Aufenthalt in Palästina 1991/1992, d.h. während der ersten Intifada, heute noch und wieder so aktuell ist. Joe Saccos Sammlung von Augenzeugenberichten, Reportagen und eigenen Erlebnissen während seiner Recherche zu diesem Buch ist aber sicherlich nicht nur wegen der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten lesenswert, auch als Comic überzeugt er.

Auf annähernd 300 Seiten werden in expressiven, an den amerikanischen Underground angelegten Zeichnungen die Zustände auf palästinensischer Seite dargestellt. Es wird viel geredet, aber durch seine abwechslungsreiche Bildwahl gestaltet Sacco dies nie langweilig. Durch die Verbildlichung von Emotionen und Gedanken in den Gesichtern und Gestalten der Erzähler und Zuhörer ist der Inhalt des Berichteten auch mit mehr gefüllt. So wie das gesprochene Wort anders als das geschriebene wirkt, so wirkt das illustrierte Wort in diesem Comic auf mehreren Ebenen als es nur ein Textbericht könnte. Nur einmal anfangs im zweiten Kapitel versucht Sacco es auf 10 Seiten mit einem illustrierten Text, d.h. wie eine Reportage im Spiegel, und keinem Comic. Da diese Form später nicht mehr auftaucht hat der Autor offensichtlich selber realisiert, dass die Stärke seiner Reportage in der Comicform liegt.

Kritisieren kann man den einseitigen Blickwinkel, bis kurz vor Schluss berichtet Sacco nur aus palästinensischer Sicht. Die auftauchenden Israelis, meist Soldaten oder bewaffnete Siedler, sind deswegen nicht gerade in einen guten Licht dargestellt, vielen steht ein leichter Irrsinn ins Gesicht gezeichnet. Das ist sicherlich nicht objektiv, sollte es aber auch nicht sein, wie Sacco im Comic selber zugibt. Auch bei einigen der berichteten Geschehnisse wird man sich fragen, ob es wirklich so passiert ist. Der Wahrheitsgehalt der Augenzeugenberichte ist aber gar nicht der Punkt, die Palästinenser nahmen (und nehmen) die Geschehnisse so wahr. Diese Sichtweise zu vermitteln ist eine Intension des Comics. Die Alltäglichkeiten des bedrückenden Lebens in den Flüchtlingslagern wie Jabalia, Nuseirat oder Balata, Namen die immer noch in den Nachrichten auftauchen, werden in realistischen Zeichnungen und detaillierten Beobachtungen effektiv wiedergegeben, die Stärke von Saccos Reportage 'Palestine'.

Kein einfach zu lesender und verarbeitender Comic, zudem leider nur im englische Original erhältlich, aber es ist ein lesenswertes und interessantes Buch.


Palestine
von Joe Sacco
mit einem Vorwort von Edward Said
291 Seiten
erschienen bei Fantagraphics für $24,95
ISBN: 156097432X


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