Deutsche Geschichtstunde
Ein Historiencomic, ein Indie-Comic, ein Comic über Juden in Deutschland ? sowas weckte meine Neugier und so kaufte ich mir das Album ?Rendsburg Prinzessinstrasse? von Elke Steiner, das zu Erlangen von der Edition Panel vorgestellt wurde.
Die Zeichnungen gehören in die Kategorie der klassischen Streitfrage, ob dies nun Kunst oder einfach nur fehlendes Handwerk ist. Die an naive Malerei erinnernden Figuren sind zunächst wenig dazu angetan, der Geschichte Substanz und Leben zu verleihen. Dadurch, dass auf ca. 50 Seiten ein Zeitraum von 246 Jahren erfasst wird, kommt es ohnehin nicht zu einer näheren Beschäftigung mit einzelnen Figuren.
Zwar verfolgt die Erzählung grob das Geschick einer einzelnen Familie, aber die Handlung ist zu komprimiert um dem Leser den Aufbau einer Beziehung zu einem einzelnen Individuum zu ermöglichen. Das Fehlen einer Identifikationsfigur und der gewöhnungsbedürftige Zeichenstil lassen das Werk daher auf den ersten Blick als schwer zugänglich erscheinen.
Fängt man jedoch mit der Lektüre an, wird man sofort mitgerissen. Das tiefe Engagement der Autorin entfaltet seine Wirkung und man befindet sich im Banne einer fremden, versunkenen Zeit.
In kargen aber eindrucksvollen Bildern gelingt es der Elke Steiner im inneren Auge des Betrachters ganze Welten wieder auferstehen zu lassen. Voller Spannung verfolgt man das Geschick der jüdischen Gemeinde durch die Zeit. Begleitet ihre Hochs und Tiefs. Man ist empört über die Schikanen, denen die Juden von außen ausgesetzt sind, ihre mangelnden Rechte.
Aber ebenso schonungslos werden auch die Unzulänglichkeiten innerhalb der Menschen der Gemeinde gezeigt, als sie beispielsweise einen unliebsamen Rabbi wegmobt.
Besonders eindrucksvoll ist der Schluss, als die Gemeinde am Vorabend des Holocausts steht: Ein Arzt beginnt Selbstmord, kurz danach symbolisiert lediglich eine leere, schwarze Seite das kommende Inferno.
Nach dieser Seite fängt man an, das Buch wieder von vorne zu lesen, weil es einfach nicht sein kann, dass dies das Ende sein soll ? und endet dann doch wieder unweigerlich auf der schwarzen Seite.
Spätestens dann wird klar, dass all die Kriterien über ? Zeichnungen, Bildeinteilung usw. hier nicht gelten. ?Rendsburg? ist ein Werk, dass man nur als Gesamtheit verstehen darf, welches zu zerpflücken schlicht nicht möglich ist. Ein Werk, das genau so und nicht anders hätte gemacht werden dürfen.
Ein Vorwort, Glossar und dokumentarisch-redaktioneller Teil runden das Werk ab. Beilegend ist auch ein Bastelbogen
Rendsburg Prinzessinstrasse
von Elke Steiner Edition Panel, 6.50 Euro 58 Seiten
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