Comic Radio Show

Deutsche Comiczeichner

Hintergründe / Deutsch
geschrieben von AndreasDierks am 09.05.2002, 00:01 Uhr

Gibt es eigentlich auch deutsche Comiczeichner?


Gehen deutsche Zeichner unter?
Noch vor nicht allzu langer Zeit las man in den Comicforen von Internet, MausNet und FidoNet des Öfteren die Frage nach deutschen Comiczeichnern; sie schienen von Otto Normalcomicleser so unbemerkt zu sein, dass sich ihre Namen im Konzert ihrer Kollegen auf den Büchertischen der Comicläden geradezu exotisch ausnahmen. Sicherlich kannte man Wilhelm Busch, Hannes Hegen oder Hansrudi Wäscher, aber die eingangs gestellte Frage zielte auf die aktuellen, jüngeren Vertreter der heimischen Comic-Kunst.

Mit Hilfe von Burkhard Ihme und dem ICOM (www.comic-i.com) stellte man für die Comic-FAQ der Comicforen vor über fünf Jahren daher eine Liste zusammen (www.comic.de/gelbeseiten/faq1.html#d2), die nun stolz darauf verwies, dass sogar in Ländern deutschsprachiger Zunge eine größere Anzahl Zeichner Comics veröffentlicht habe. Doch welche der dort zwischen Mario Ableitner ("Die Rückkehr des Friedrich List") und Marco Zweig ("Tigre Hotel", "Amazonia") gelisteten Autoren waren außer auf dieser Liste denn nun auch in der Szene oder gar im Markt auf Dauer präsent? Es waren wenige.




So bemühte man sich in immer neuen Versuchen, dem deutschen Comiczeichner Bekanntheit und Veröffentlichungsplattformen zu geben. Man stellte sie aus, man gab ihnen besondere Preise, man gründete Fanzines, Vereine und (Selbst-) Verlage, man lud sie zu Veranstaltungen, man podiumdiskutierte über sie. Die größeren deutschen Comicverlage wurden aufgefordert, mehr von den Zeichnern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz herauszugeben, was die Verlage dann auch machten, jedenfalls solange es das Portemonnaie oder die verlegerische Lust zuließen.



Isabel KreitzMatthias Schultheiss hatte viel in Frankreich und den USA veröffentlichen können, Chris Scheuer, Isabel Kreitz, Hendrik Dorgathen, Reinhard Kleist, Thomas Ott, Guido Sieber, Dieter Jüdt und einige andere machten bleibend auf sich aufmerksam, Brösel, Ralf König und Walter Moers verschafften sich mit ihren Funnies große Leserkreise, die Edition Moderne, Jochen Enterprises, Zwerchfell und andere mittlere bis kleine Verlage verdienten sich mit ihrer verlegerischen Arbeit für neue deutsche Zeichner Respekt (und kaum Geld).



Gegen Ende des letzten Jahrtausend wurde spürbar, dass es eine deutschsprachige Zeichnerszene gab, dass viele Autoren dabei durchaus einem höheren künstlerischen Anspruch genügten, dass einige sogar Geld durch ihre Comics verdienten.




Erlangen 2002 steht vor der Tür und beim Blick in das Programm entdeckt man, dass sich unter der Überschrift "Unterschätzte Schätze - Comic Strips made in Germany" wieder eine Diskussionsrunde zusammenfinden wird, die auf die Werke deutschsprachiger Zeichner eingehen und manche hervorheben möchte. Um die Jahrtausendwende hat sich einiges getan, welches einen neuen Blick lohnt. Robert Labs, Jürgen Seebeck, Sascha Nils Marx veröffentlichten in höherer Auflage Comics, die als Manga aufgenommen im Trend der Zeit liegen.



Kaktus 1Die Independentszene ist rührig, Gerhard Schlegel und Elke Reinhart starteten mit "Kaktus" in den USA, Ralf Paul unternahm den gleichen Schritt mit "Helden", Uli Oesterle signierte in Angoulême 2002 bei Reporter seine französische Ausgabe von "Frass", die mittlerweile komplett verkauft sein soll. In "MAD" findet man monatlich Humoriges von Ralph Ruthe, Peter Puck, Guido Neukamm, Arnd Böhm und anderen, die diesem Satirecomic ein neues Gesicht geben, und auch die Mosaik- und Achterbahn-Zeichner lassen regelmäßig von sich sehen.



Timo WürzAuf der letztjährigen ComicAction in Essen setzten die meisten Verlage im Unterschied zu den Vorjahren ganz überwiegend auf deutsche Zeichner, von Haggi über Timo Würz, Wittek, Geier, Horus, Schwarwel, Dirk Schulz, Eckart Breitschuh, Andreas Pasda bis Robert Labs nahmen die deutschen Zeichner die Signierstifte fast im Alleingang in die Hand, ganz abgesehen von den nicht wenigen anwesenden kleinen einheimischen Verlagen, bei denen der Chef ohnehin nahezu alles selber zeichnet.



Für den 10. Internationalen Comic-Salon in Erlangen sind selbstverständlich deutlich mehr auswärtige Comic-Zeichner zu erwarten als in Essen. Für den Comic, für Kultur überhaupt, ist Internationalität, also der Blick über den Tellerrand, das Salz in der Suppe. Gleichzeitig ist eine rege einheimische Zeichnerszene ein wichtiges Fundament für ein breiter werdendes Interesse am Comic in unseren Ländern, sei es auf Papier, sei es im WWW, sei es jemand wie Ulf K. mit "Floralia", sei es (c) Tom bei der FAZ oder Sven K. mit "Ivys Bar".



In Erlangen wird es Ausstellungen zu sehen geben, in denen die Arbeiten von Daniel Bosshart, Martin tom Dieck, Martin Frei und anderen vorgestellt werden. Die wichtige Verleihung des ICOM Independent Preises wird wiederum bis dato nahezu Unbekanntes ans Licht bringen. Knapp einhundert deutsche Zeichner werden ihre Comics in Erlangen signieren. Diese relativ große Zahl spiegelt etwas von der Lebendigkeit wider, auf die Moebius bei seinem Erlangen-Besuch vor zwei Jahren nach einem Messerundgang hinwies. Es gibt sie also, die deutschen Comiczeichner. Und dennoch bleibt der Eindruck, als wären sie nur Verzierung zu weitaus besser verkäuflichen Sahnestücken aus Japan, Frankobelgien oder den USA. Dieses Klagelied wurde schon oft gesungen, fügen wir ihm geduldig Strophen hinzu, die dem deutschen Comic die Arbeitsbedingungen erleichtern; sei jeder dritte Comic, den wir in unserem Ruthe-statt-Plastik-Sack mit nach Hause nehmen, einer aus Berlin, Wien, Zürich, München (oder wie die Stätten der heimischen Comicszene auch immer heißen), mögen die Zeichner die Ausdauer haben, weiter zu erzählen und immer wieder Neues zu probieren, sei jede Comic-Veranstaltung in unserer Nähe selbstverständlicher Treffpunkt mit ihnen.



Dieser Beitrag ist uns von dem CRS-Mitglied AndreasDierks geschickt worden.

Vielen Dank dafür! :-)

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